ALTERRA: Die Gemeinschaft der Drei (PAN) (German Edition)
Nachtschleicher.«
»Ihr seid einem Nachtschleicher begegnet?«, fragte Ambre schockiert.
»Ein echtes Monster, wie aus einem Horrorfilm. Das Ding saß auf einem Ast, es war mindestens so groß wie ein Mensch. Es witterte uns und wollte sich gerade auf uns stürzen, da kam die kleine Plusch an und schlug es in die Flucht. Sonst hätte es uns garantiert in Stücke gerissen.«
»Unter klein verstehe ich was anderes«, sagte Ambre.
Matt beobachtete Plusch, die mit federnden Schritten ihren Karren durch den Wald zog.
»Ich frage mich, warum sie so ist«, sagte er. »Ich meine: intelligent und gar nicht wild.«
»Weißt du«, meinte Ambre, »wahrscheinlich werden wir nie auf alle Fragen eine Antwort finden, das müssen wir wohl leider akzeptieren.«
»Hm. Wie diese Käfer, die Tobias und ich auf der Autobahn gesehen haben. Hat er dir das erzählt? Millionen von …«
»Das Skaraheer«, fiel ihm Ambre ins Wort. »Diesen Namen haben die Pans ihnen gegeben. Die meisten von uns haben sie gesehen. Sie hatten so gut wie jede Autobahn befallen. Wie man hört, ist das immer noch so. Zuerst liefen sie alle Richtung Süden, inzwischen beschreiben sie einen riesigen Kreis durch das ganze Land. Wenn sie nach Süden krabbeln, leuchten ihre Bäuche rot, wenn sie nach Norden unterwegs sind, sind sie blau. Am Anfang ging das noch etwas durcheinander, aber jetzt hat sich das so eingependelt.«
»Weiß man, warum sie das tun?«
»Nein, aber die Weitwanderer würden die Migration der Käfer gern erforschen. Es ist ziemlich sicher, dass ihr Verhalten nicht auf einem Zufall beruht, aber bisher wurden noch keine Beobachtungen angestellt. Das dauert alles noch. Die Pans beginnen erst allmählich, sich zu organisieren.«
»Das stimmt, es ist erst sechs Monate her … und ich habe fünf davon verpennt!«
Während sie so plauderten, stieg die Sonne in ihrem Rücken immer höher und ließ die Natur in ihrem ganzen Glanz erstrahlen: einem satten, leuchtenden Grün.
Nach gut anderthalb Stunden ordnete Doug, der mit dem großen Sergio vorausging, eine Verschnaufpause an. Die Wanderer tranken aus ihren Flaschen, und Matt goss ein wenig Wasser in einen Napf, den Plusch gierig leer schlappte. Jeder aß ein Stück Schokolade, dann ging es munter weiter.
Matt war überrascht von dem Lärm, der im Wald herrschte. Dutzende von Vogelarten zwitscherten und gluckten sich fröhlich zu, ohne sich von der Menschengruppe, die da des Weges kam, stören zu lassen. Ein Gurren, das Matt noch nie gehört hatte, ein tackerndes Piepsen mit einigen musikalischen Trillern und ein Zirpen, das ununterbrochen stieg und fiel. Die meisten Vögel, die er sah, waren gewöhnliche Grünspechte, Raben oder Meisen. Hin und wieder erspähte er aber auch kuriose Arten, etwa einen silberweißen Vogel mit gelben, fast golden glänzenden Flügeln und einem hellblauen Federbusch auf dem Kopf. Als er davonflog, leuchtete die Unterseite seiner Flügel feuerrot.
Kaum jemand sprach, außer Gwen und Ambre, die leise miteinander diskutierten. Die anderen konzentrierten sich lieber auf das Schritttempo und behielten die Umgebung im Blick. Matt lief etwas schneller, um Travis einzuholen.
»Gibt es hier Schlangen?«, fragte er.
Der Rotschopf antwortete mit einem starken Südstaatenakzent.
»Von normalen Schlangen weiß ich nichts, aber das Schlimmste sind die Skorvipern!«
»Die Skorvipern? Was ist das?«
»Sie sehen aus wie eine große Viper, aber sie haben keine Haut, sondern einen harten, geschuppten Panzer, wie der Schwanz eines Skorpions. Sie haben nämlich auch einen Stachel. Und bei einer Körperlänge von einem Meter kannst du dir vorstellen, wie groß der ist!«
»Ist der Stich gefährlich?«
»Keine Sorge, wenn eine Skorviper dich sticht, bist du tot, ehe du es merkst«, scherzte Travis.
Matt fand das gar nicht lustig und hielt von nun an lieber den Mund. Nach einem weiteren Halt erreichten sie kurz nach Mittag die Ausläufer der Stadt, oder vielmehr das, was davon noch übrig war. Vor ihnen ragte eine Mauer aus Lianen auf. Was einmal die Fassade eines sechsstöckigen Gebäudes gewesen war, hatte sich nun in eine von Blättern und Ranken bedeckte Wand verwandelt. Es war unmöglich, auch nur einen Zentimeter Beton, eine Tür oder gar ein Fenster darunter auszumachen. Das Gleiche galt für alle anderen Überreste der einstigen Zivilisation: Wie eine zweite Haut zogen sich die Pflanzen über die Ruinen. Grüne Triebe, die sich wie Spinnennetze zwischen den Häusern
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