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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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war nur ein Scherz, aber es steckte eine Menge Wahrheit darin: Er war tatsächlich von ihr bekehrt worden, nicht nur durch ihren Körper – obwohl es ein wundervoller Körper war, so glatt und fest wie eine Taubenbrust, so rund und süß, daß ein Mann beim bloßen Anblick schon vor Wonne vergehen konnte –, sondern auch durch die Dinge, die er von ihr lernte, nachdem sie jetzt Liebende waren. Bisweilen waren es lediglich ein paar Worte der Alten Sprache, die zu lernen Marrah von ihm verlangte, damit er sich mit Rhom, Zastra und Shema verständigen konnte, doch wenn sie von ihren Lippen kamen, hatten die Worte eine Süße, die Stavan schneller lernen ließ, als er je zuvor gelernt hatte.
    Oft waren es jedoch kompliziertere Dinge. Nach dem Liebesspiel fühlten sie sich häufig noch zu wach, um schlafen zu können, und dann lagen sie Seite an Seite und unterhielten sich, bis sich der Himmel grau zu verfärben begann. Marrah erklärte ihm, wie ihr Volk die Welt sah, wie sie immer das Gefühl hatten, den Körper einer Mutter zu berühren, die sie liebte, wenn sie auf dem Erdboden gingen oder saßen oder standen. Oder sie erzählte ihm die alte Sage vom Großen Frühling, als die Göttin Erde Mitleid mit ihren Kindern empfand und die Göttlichen Schwestern ausschickte, um die Menschen zu lehren, wie man webte und töpferte, Tiere zähmte und Getreide anpflanzte.
    Manchmal erzählte Stavan auch von seinen eigenen Erlebnissen – wie er und Achan auf ihrer Reise nach Westen von den kleinen Wilden des nördlichen Landes vertrieben worden waren, nachdem Achan und zwei der anderen Männer versucht hatten, einige ihrer Frauen zu entführen, und wie die Wilden, die ihn und seine Gefährten mühelos hätten töten können, statt dessen ihre Pferde getötet und ihr Leben aus unerklärlichen Gründen verschont hatten.
    Oder er griff in seinen Lederbeutel und zog den seltsam geformten weißen Kieselstein hervor, den er am Strand des ersten und kältesten Meeres gefunden hatte, das er jemals gesehen hatte; und während Marrah den Stein neugierig betrachtete, schilderte er ihr die farbigen Lichterscheinungen, die am nördlichen Himmel tanzten. Im Austausch für die Lektionen in Alter Sprache brachte er ihr ein paar Worte Hansi bei und erzählte ihr die Legenden seines Volkes: von Choatk, der tief unter der Erde lebte, wo die Seelen der Feiglinge schmachteten, und von Han, der die tapfersten Krieger ins Paradies führte und ihnen Sterne als Pferde gab; und eines Abends, als Marrah ihm entsetzt zuhörte und ihn mit weitaufgerissenen, ungläubigen Augen anstarrte, erzählte er ihr sogar von dem Brauch der Hansi, die Ehefrauen und Sklavinnen eines Kriegers bei dessen Tod mit zu begraben, damit sie dem Toten Gesellschaft leisteten, und wie Pferde auf seinem Grab geschlachtet wurden und der Tote in seinem vollen Schmuck und mit seinem Speer in der Hand beerdigt wurde.
    Stavan wußte, daß er mit diesen Geschichten Marrahs Liebe riskierte, aber er erzählte sie ihr dennoch, weil er mit nichts zurückhalten wollte, und als er fertig war, nahm er sie sanft in seine Arme und bat sie, ihm zu verzeihen, daß er unter einem solchen Volk geboren und aufgewachsen war, denn er begriff jetzt, daß die Lebensweise der Hansi brutal war und daß es für einen Mann eine bessere Art gab, sein Leben zu leben, als es an Krieg und Viehdiebstahl zu verschwenden. Stavan hatte Angst, Marrah würde ihn verdammen und sich von ihm abwenden, doch sie schlang die Arme um seinen Hals und versicherte ihm, daß es nichts zu verzeihen gäbe; daß es nicht seine Schuld sei, daß sich niemand den Ort seiner Geburt aussuchen könne und daß sie ihn von ganzem Herzen liebe, nicht nur deshalb, weil seine Küsse die besten Küsse seien, die ein Mann jemals einer Frau geschenkt hatte, sondern weil er den Verstand hatte, einzusehen, daß als Krieger geboren zu werden nicht bedeutete, daß man bis in alle Ewigkeit einer bleiben mußte.
    Aber Stavan riskierte diese Art von Enthüllungen nicht allzu häufig. Meistens erzählte er Marrah von den Dingen, die ihr ein Lächeln entlockten: Wie tolpatschig ein neugeborenes Fohlen aussah, wenn es zum ersten Mal auf seinen langen, staksigen Beinen zu stehen versuchte, oder daß im Land der Hansi ein Mädchen nicht eher als Frau galt, bis ein Mann mit seinem Penis in sie eingedrungen war. Einmal hatte er Marrah sogar zu erklären versucht, daß sie nach den Maßstäben seines Volkes noch immer Jungfrau war, aber die Vorstellung, daß sie

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