Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde
nehmen, was er haben wollte, und dennoch hielt er sie dabei so zärtlich in seinen Armen, als könnte sie unter seinen Händen zerbrechen.
Schließlich beendete er den Kuß. Marrah löste sich aus seiner Umarmung und starrte ihn ungläubig an. Es war nicht der Kuß selbst, der sie derart schockierte; die Unterhaltung mit Zastra hatte sie auf die Möglichkeit vorbereitet, daß Stavan sie vielleicht küssen wollte. Aber er hatte sie nicht gefragt! Man fragte immer um Erlaubnis, bevor man anfing, mit jemandem die Lust zu teilen. Angenommen, sie hätte nicht geküßt werden wollen, wie hätte er das wissen sollen? Sein Benehmen war unhöflich, es war ... einfach unvorstellbar. Sie sollte wütend auf ihn sein. Aber vielleicht hatte er nicht die Absicht gehabt, unhöflich zu sein. Vielleicht hatte Zastra doch recht. Vielleicht wußte er tatsächlich nicht, daß ein Mann eine Frau zu fragen hatte; vielleicht war dies einfach die Art, wie sich Hansi-Krieger Frauen gegenüber benahmen.
Stavan schien ihre Verwirrung nicht zu bemerken. Zärtlich zog er Marrah in seine Arme und streichelte ihr Haar. »Ich habe mich schon so lange danach gesehnt, dich zu küssen«, murmelte er. »Schon seit dem Tag, als wir zusammen auf diesem Felsen am Strand saßen, damals auf dem Rückweg von Hoza. Ich hätte es an jenem Abend fast getan, aber dann sagtest du mir, daß du mir das Leben gerettet hättest, und von da an habe ich mich zu zwingen versucht, dich nicht mehr als Frau zu betrachten. Aber ich konnte nicht dagegen an. Ich brauchte dich nur lachen zu hören oder zu sehen, wie du dich vorbeugtest, um ein Stück Feuerholz aufzuheben, und schon wurde ich krank vor Sehnsucht und Verlangen nach dir.«
Er nahm ihre Hand und begann, behutsam ihre Finger zu küssen. »Wenn ich in meinem eigenen Land wäre, würde ich dich deinem Vater abkaufen und dich in mein Zelt nehmen und niemals eine andere Ehefrau haben. Ich würde fünfzig Stück bestes Vieh für dich bezahlen und –«
Marrahs Zorn verrauchte bei dem Gedanken, für fünfzig Stück Vieh gekauft zu werden. Plötzlich prustete sie vor Lachen los und zog ihre Hand zurück.
Stavan sah tödlich beleidigt aus. »Du hältst mich also für einen Dummkopf, nicht wahr? Du denkst, ich wäre deiner nicht würdig?« Später würde er mit ihr darüber lachen; später, in den folgenden Monaten, würde sie ihren Kopf an seine Schulter lehnen, nachdem sie sich dem Liebesspiel hingegeben hatten, und ihn fragen, wieviel Stück Vieh sie seiner Ansicht nach jetzt wert wäre, und er würde sagen, Hunderte, Tausende, so viele, wie es Sterne am Himmel gab; aber jetzt, in diesem Moment, war Stavan todernst.
Er ließ sie abrupt los und sprang auf die Füße. »Ich hätte dich nicht küssen sollen. Du hast es ohne Zweifel unangenehm gefunden.«
Marrah hörte auf zu lachen. »Nein«, sagte sie freimütig. »Ich mochte deinen Kuß. Er war ein bißchen wilder, als ich es gewöhnt bin, aber es war aufregend. Trotzdem hättest du –«
Stavan ließ sie niemals sagen, was er ihrer Meinung nach hätte tun sollen. Blitzschnell war er wieder über ihr, riß sie in seine Arme und küßte sie so stürmisch, daß sie rückwärts kippte. Zum Glück saßen sie dicht am Wasser, so daß sie in weichen Sand fiel und nicht auf harte Steine. Stavan umschlang sie heftig, während er ihr Kleid heraufzog und es vor Ungeduld beinahe zerrissen hätte. Als er Marrahs Körper sah, stieß er einen Freudenschrei aus und begann, ihre Brüste zu liebkosen und mit seinen Händen über ihren flachen Bauch zu streichen.
»Warte! « stieß sie mühsam zwischen zwei Küssen hervor. Da sie noch niemals von einem Mann gehört hatte, der eine Frau zum Sex gezwungen hätte, fühlte sie keine Angst, aber sie war völlig verwirrt. »Warte einen Moment, wir müssen miteinander reden.«
Doch Stavan war blind und taub vor Leidenschaft, während er sich verlangend an sie drängte und ihren Körper mit fiebrigen Küssen bedeckte und sie dabei zugleich hinter sich ließ. In gewisser Weise war es ergreifend, so wie es ergreifend sein kann, von einem plötzlichen Unwetter überrascht zu werden, aber wenn dies die Art der Hansi war, die Lust zu teilen, dann ließ sie eine Menge zu wünschen übrig, und als Marrah sich mit Stavan im Gras herumwälzte, begann sie zu glauben, daß sie einen ernsthaften Fehler gemacht hatte. Er hatte genug Energie und Feuer für zwei Männer in sich, doch seine Vorstellung davon, einer Frau Lust zu bereiten, schien zu
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