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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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nächsten Morgen bei herrlichem Wetter aufzuwachen. Sie ließen die Boote wieder zu Wasser und brachten den ganzen Tag damit zu, durch die Schlucht zu treiben, bis der wilde Fluß schließlich in eine breite Ebene strömte und wieder zahm wurde.
    An diesem Abend waren sich Marrah, Stavan und Arang einig, daß der gefährlichste Teil der Reise überstanden war. Bald würden sie den Süßwassersee erreichen, und von dort aus würde es laut Sabalahs Lieder-Landkarte nur noch vier oder fünf Tage dauern, bis sie nach Shara kamen.
    Während sie sich gegenseitig zum erfolgreichen Verlauf ihrer Reise gratulierten, blickten sie auf den Fluß hinaus. Er wirkte fast gelb in der Abenddämmerung, wie ein riesiges, mit Blütenstaub bedecktes Blatt. Am gegenüberliegenden Ufer schwamm eine Schar Gänse langsam auf das Schilf zu, wo sie bis zum nächsten Morgen schlafen würden.
    Arang legte seinen Kopf in Marrahs Schoß und gähnte. »Ich bin froh, daß es nicht noch mehr Stromschnellen gibt. Sie sahen ziemlich gefährlich aus, und obwohl wir so hoch über der Schlucht gewandert sind, hatte ich immer ein bißchen Angst.«
    »Ich hatte auch Angst«, gestand Marrah, »aber mach dir keine Sorgen, von hier ab gibt es nichts mehr, wovor man sich fürchten müßte.«
    Später fragte sie sich, ob einer der bösen Geister, an die Stavan glaubte, ihre Worte gehört und sie als Beleidigung aufgefaßt hatte.
    Mehrere Tage lang trieben sie in müßigem Tempo den Fluß hinunter und legten oft am Ufer an, um sich auszuruhen und zu schwimmen. Dann passierte plötzlich etwas völlig Unerwartetes. Es begann zunächst ganz harmlos: mit einer kranken Frau, die nicht sprechen wollte.
    Der Tag war ungewöhnlich heiß und still, und die Händler, die sie um Shemsheme herumgeführt hatten, sangen ein neues Lied, aber ansonsten geschah nichts Bemerkenswertes. Der Fluß schien an diesem Punkt kaum Strömung zu haben, und obwohl die Dörfer an seinen Ufern ein wenig größer wirkten als die Siedlungen flußaufwärts, schienen sie kompakter zu sein.
    Hinter Shemsheme gab es flußabwärts keine Steinhäuser mehr. Alles im Umkreis war aus Holzbalken und Weidengeflecht erbaut, das mit Lehm verstärkt und mit auffälligen schwarzen und gelben Symbolen bemalt war, die sich bei näherem Hinsehen als Bienen entpuppten. Es waren Tausende von Bienen, keine größer als eine Fingerspitze, und so gemalt, daß es den Eindruck erweckte, als schwärmten sie die Wände entlang und sammelten sich über der Tür, um bis zu den Rändern der Rauchabzugslöcher hinaufzukrabbeln. Hier und da hatte eine Mutterfamilie mit künstlerischem Talent noch ein paar Blumen mit grünen Stengeln und großen roten Blüten hinzugemalt oder einen dicken goldfarbenen Klecks, der wie Honig aussah. Jedesmal, wenn sie zu einer Siedlung kamen, stellte sich Marrah einen Moment lang vor, irgendein Töpfer hätte einen Stapel Bienenkörbe aus Ton zum Ausräuchern in die Sonne gestellt. Der größe Bienenkorb von allen war immer der Tempel; oft konnte man seine runden Fenster und das spitz zulaufende Dach bereits erkennen, bevor man irgend etwas anderes sehen konnte.
    Der Name dieses Landes, dessen Volk die Bienengöttin verehrte, lautete Kaza. Die Kazaner waren friedliche Menschen, die sich am Flußufer versammelten, um vorbeifahrenden Booten zuzuwinken. Manchmal schwamm ein halbes Dutzend der älteren Mädchen und Jungen hinaus und fragte die Händler nach Neuigkeiten, wobei sie in gebrochener Alter Sprache sprachen, mit einem weichen, schleppenden Akzent, der fast ein Lispeln war. Aber an diesem Nachmittag hatten die Jungen und Mädchen, die zu dem Boot hinaus-schwammen, eine andere Bitte. Sie waren zierliche, dunkelhaarige Kinder mit anmutigen Armen und Beinen, so schnell im Wasser, daß sie Fische verfolgen konnten, aber im Gegensatz zu den anderen Kindern, die Marrah gesehen hatte, seit sie Shemsheme hinter sich gelassen hatten, lachten und scherzten diese hier nicht. Sie näherten sich mit ernsten Mienen und schwammen mit langen, schnellen Zügen, bis sie nahe genug waren, um gehört zu werden.
    »Ist die große Priesterin Marrah aus Xori bei euch?« rief das älteste Mädchen.
    Marrah, die überrascht war, sich als »große Priesterin« bezeichnet zu hören, wollte schon protestieren, aber die Händler kamen ihr zuvor.
    »Wir haben Marrah aus Xori, Tochter von Sabalah, bei uns«, rief einer der Männer. »Wir bringen sie und ihren Bruder nach Shara. Und auch einen Riesen. Einen mit einem

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