Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
Vom Netzwerk:
sich, ihre Stimme fest klingen zu lassen, weil sie schon wieder die Furcht darin hören konnte. »Ich weiß, du tust dein Bestes, um mich davon abzuhalten, mir Sorgen um dich zu machen, aber ich will nicht, daß du mir die Wahrheit ersparst. Wir beide wissen, daß du vielleicht nicht zurückkehren wirst, wenn du ins Grasmeer gehst. Du könntest verhungern oder erfrieren, noch bevor du deine Leute überhaupt gefunden hast. Keine von diesen Möglichkeiten gefällt mir. Sie machen mir angst. Aber es gibt eine Sache, die mir noch mehr angst macht, und das ist die Vorstellung, daß dir deine eigenen Leute etwas Schreckliches antun könnten, wenn sie herausfänden, daß du ihnen nicht die Wahrheit gesagt hast. Würden sie das tun, Stavan?«
    Er nickte widerstrebend.
    »Was würden sie tun?«
    Wieder ließ er sich viel Zeit mit seiner Antwort. »Mich töten, nehme ich an.«
    » Schnell? «
    Er schüttelte den Kopf.
    »Das dachte ich mir.« Marrah nahm ihn in die Arme und küßte ihn. »Wie kann ich dich das tun lassen? Ich liebe dich so sehr, und es ist praktisch Selbstmord, was du vorhast! «
    »Ich werde zurückkommen.«
    »Wirst du das? «
    »Ich schwöre es.«
    »Woher willst du wissen, daß du wohlbehalten zurückkommst?« Er zuckte die Achseln. »Ich habe so ein Gefühl.«
    »Ein Gefühl ist nicht gut genug.« Impulsiv löste sie die Lederschnur um ihren Hals, an der die Träne des Mitgefühls hing, und band sie Stavan um. »Nimm das hier. Der Stein hat Arang gerettet, als er kurz davor war, an dem Fieber zu sterben, und er wird auch dich beschützen.«
    »Marrah, ich kann deinen magischen Talisman nicht annehmen. Die Priesterinnen von Nar haben ihn dir geschenkt.«
    »Was glaubst du wohl, wozu sie ihn mir geschenkt haben, du süßer Dummkopf? Nimm ihn und rette mein Volk, und möge die Göttin dich segnen und beschützen und dich wohlbehalten wieder zurückbringen.« Sie beugte sich vor und küßte den Schmetterling, der in den Tiefen des gelben Steins eingeschlossen war, und dann küßte sie Stavan, der sich in so große Gefahr begeben würde, mit nichts als diesem kleinen Glücksbringer als Schutz.
    An jenem Abend liebten sie sich, aber ihre Herzen waren nicht bei der Sache.
    Sie waren beide zu traurig. Danach lagen sie lange Zeit wach und unterhielten sich. Sie schmiedeten Pläne und gaben einander Versprechen, und als ihnen keine tröstenden Beteuerungen mehr einfielen, unterhielten sie sich weiter, voller Angst, die Stimme des anderen loszulassen.
    Ich kann schon fühlen, wie er fortgeht, dachte Marrah, als sie zärtlich mit den Fingern durch sein helles Haar strich und dabei Rauch und Wolken und Mondlicht und weiße Knochen und Einsamkeit sah.
    Am nächsten Nachmittag erreichten sie schließlich den Süßwassersee, nachdem sie das Flußdelta durchquert hatten. Von dem Moment an, als sie offenes Wasser vor sich sahen, überschlugen sich die Ereignisse förmlich, und alles ging so schnell, daß Marrah kaum noch Zeit blieb, Abschied von Stavan zu nehmen, bevor er sich in Richtung Norden aufmachte in Begleitung von drei Händlern, die in einem Einbaum voller Weinkrüge auf dem Weg nach Shambah waren.
    Stavans Boot hatte kaum die Landspitze umrundet, als zwei Lachsfischer Marrahs und Arangs Pilgerhalsketten erblickten und sich anboten, sie nach Süden zu bringen. Sie segelten immer dicht an der Küste entlang, von günstigen Winden rasch vorwärtsgetrieben, und so kamen die beiden schließlich nach Shara, dessen weiße Häuser genauso hell und einladend in der Sonne schimmerten, wie es Sabalahs Lied versprochen hatte.
     

DRITTER TEIL
Das Grasmeer
     

›»Die Frauen des Westens sind häßlich‹, erzählte der Held seinem Volk. ›Sie haben Füße wie Ratten, eine Haut wie Kröten, und sie stinken wie Ziegen in der Brunftzeit. Sie hausen in Höhlen wie Tiere, und sie essen Fisch. Macht euch nicht die Mühe, nach Westen zu reiten, meine Brüder. Ihr werdet dort weder Gold noch Pferde finden. Alles, was der Westen zu bieten hat, ist Tod.‹
    ›Er lügt!‹ rief sein Bruder. ›Der Westen ist voller Schätze!‹ ›Er ist ein Verräter!‹ riefen seine Onkel. ›Tötet ihn!‹
    Aber der Große Häuptling war weiser als die anderen. Er riß das Hemd des Helden entzwei, und heraus fiel ein Stückchen der Sonne. ›Seht her!‹ rief der Große Häuptling, Stavan lügt nicht. Er weiß nicht, was er sagt; er ist verhext worden!‹«

    Aus »Stavan und die Hexe«, einer Volkssage der Hansi

 12. KAPITEL
     
    Shara: Zwei

Weitere Kostenlose Bücher