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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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ihrer Heimat.
    Die Häuser von Shambah, so erzählten sie Marrah, waren nicht in schlangenförmigen Reihen angeordnet wie jene in Shara, sondern teilweise unterirdisch erbaut, damit sie im Winter warm und im Sommer kühl waren. Die Dächer waren kuppelförmig, aus getrocknetem Schlamm und Weidengeflecht gefertigt und mit weißem Ton verputzt. Jedes Dach war mit einer anderen Blume bemalt, so daß die Stadt auf den ersten Blick wie ein Garten wirkte.
    »Shambah ist das alte Wort für Schmetterling«, erklärte Cyen. »Wir verehren den Schmetterling als ihren Boten, deshalb pflanzen wir überall Blumen an, besonders die purpurroten, weißen und gelben, die Schmetterlinge lieben. Unsere Händlerfamilien haben uns Pflanzen von überall her mitgebracht. Manchmal ist es schwierig, die empfindlichen am Leben zu erhalten, besonders wenn die kalten Winde aus dem Norden wehen, aber wir bedecken sie mit Stroh, wenn der Frost kommt. Natürlich gibt es hin und wieder Winter, in denen fast alles erfriert, aber Geißblatt und blauer Rittersporn sind dieses Jahr wundervall gediehen.« Er lächelte. »Meine Mutter sagt immer, man kann die Blumen von Shambah schon riechen, bevor man die Stadt überhaupt sieht.«
    Aber was sie rochen, als sie sich Shambah näherten, waren keine Blumendüfte, sondern Rauch. Arang entdeckte als erster die dünnen schwarzen Rauchkringel, die in einiger Entfernung in den Himmel aufstiegen.
    »Was ist das?« fragte er.
    Marrah beschattete ihre Augen mit der Hand und blickte in die Richtung, in die er zeigte. »Ein Waldbrand«, erwiderte sie, doch noch während sie dies sagte, wußte sie, daß der Rauch die falsche Farbe hatte, um von brennendem Holz zu stammen.
    Sie segelten näher heran, und mit jedem Moment, der verging, wurde offensichtlicher, daß der Rauch aus Richtung Shambah kam. »Vielleicht brennen sie die Stoppeln auf den Gerstenfeldern ab«, murmelte Nacah, aber selbst er war alt genug, um zu wissen, daß die Gerste noch gar nicht geerntet war. Cyen sagte nichts. Er saß im Bug des Bootes, während er schweigend auf den Rauch starrte und seine Hände im Schoß verkrampfte.
    »Meine Mutter war am Leben, als ich wegging«, sagte er. Marrah wollte zu der tröstlichen Versicherung ansetzen, daß seine Mutter ohne Zweifel immer noch am Leben sei und schon auf ihn warte, doch der Blick, den er ihr zuwarf, ließ sie mitten im Satz abbrechen. Arang setzte sich neben sie und legte ihr einen Arm um die Schultern, und sie beobachteten, wie der Rauch immer dicker wurde. Er sah jetzt wie ein breites Band aus, von demselben Wind hochgewirbelt, der sie auf die Küste zutrieb.
    »Was könnte das sein?« flüsterte er.
    Marrah fiel nur ein Grund ein, warum die Leute von Shambah von einem solchen Feuer heimgesucht würden, es war jedoch kein Gedanke, der für Arangs Ohren bestimmt war. »Das werden wir bald genug herausfinden.«
    Der Wind hielt unvermindert an und brachte sie in Sichtweite der Sandbank, die die Einfahrt zur Lagune blockierte. Aus Angst, in dem flachen Wasser auf Grund aufzulaufen, ankerten die Frauen in einiger Entfernung vom Strand, und alle schnallten sich Tragekörbe auf den Rücken, zogen ihre Sandalen aus und wateten an Land. Der Wind hatte mittlerweile gedreht; dicke Wolken schwarzen Rauchs trieben in ihre Richtung und brannten in ihren Augen. Marrah holte Luft und hustete.
    »Es stinkt fürchterlich«, beklagte sich Arang und kniff sich die Nase zu. Etwas roch tatsächlich schrecklich, und das war nicht nur der Rauch. Ein anderer Geruch breitete sich aus, ein fauliger Gestank, und er stieg ihnen jedesmal in die Nase, wenn der Wind seewärts wehte.
    Als sie am Ufer der Lagune entlang in Richtung Stadt wanderten, herrschte eine eigenartige Stille. Nicht ein Vogel sang, nicht ein Hund bellte. Wenn die Bewohner immer noch am Fieber starben, hätte Marrah erwartet, Klagelieder und Begräbnistrommeln zu hören. Die Stille war unheimlich. Sie fragte sich, ob sich auch die Rinder und Schweine mit dem Fieber angesteckt hatten. Vielleicht war alles in der Stadt bereits tot, und sie waren umsonst hergekommen. Verstohlen blickte sie die beiden jungen Gesandten an. Ihr Gesichtsausdruck war nicht zu entziffern, aber sie konnte sich vorstellen, wie ihnen zumute sein mußte. Niemand sprach, während sie weitereilten.
    Bald kamen sie an ein Feld voller Gerste, das niedergewalzt war, als wäre eine große Rinderherde darüber hinweggetrampelt.
    Cyen blieb unvermittelt stehen. Er blickte erschrocken und

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