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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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verwirrt auf das verwüstete Feld. »Hast du jemals von einem Hagelschauer um diese Jahreszeit gehört, Vetter? « fragte er Nacah. Der schüttelte nur den Kopf, und die beiden standen einen Moment lang da wie Menschen, die plötzlich aus einem Alptraum hochfahren. Marrah kniete nieder und inspizierte den Schlamm am Rande des Feldes. Er war aufgewühlt, und überall waren Hufabdrücke zu erkennen. Sie sahen mehr oder weniger wie die Art von Spuren aus, die eine Viehherde hinterlassen würde, was das plattgetretene Getreide erklären würde, aber irgendwie waren sie anders; kleiner und tiefer.
    Sie fühlte, wie ihr Mund trocken wurde. Rauch und zertrampelte Felder und was noch? Würden sie die Hunde der Stadt mit aufgeschlitzten Kehlen vorfinden? Würde Shambah menschenleer sein? Sie dachte wieder an die beiden Bäuerinnen, die im letzten Winter aus dem Norden gekommen waren, und an ihre eigene Vision von den Tiermenschen, die gen Westen ritten und auf ihrem Weg alles niederbrannten. Diese Abdrücke im Schlamm könnten durchaus die Spuren von Pferden sein, und sie waren frisch.
    Hastig richtete sie sich auf und blickte sich um, aber es waren keine Tiermenschen in Sicht, nur Rauch, zertrampeltes Getreide, eine Reihe von Bäumen.
    »Wir müssen sofort zum Boot zurück«, sagte sie. Sie zeigte auf die Hufabdrücke und versuchte zu erklären, warum, aber nur Arang verstand sie. Die anderen starrten sie an, als spräche sie eine unbekannte Sprache.
    »Tiermenschen? « Cyen tauschte einen verwirrten Blick mit Nacah. »Was sind Tiermenschen? « Er war respektvoll, aber völlig unwissend. »Wir können nicht zum Boot zurück. Zumindest Nacah und ich nicht. Wir müssen weiter nach Shambah. Es ist nicht mehr weit. Sieh dir den Rauch an. Vielleicht haben einige der Häuser Feuer gefangen, und die Leute sind zu krank, um es zu löschen. Wir müssen helfen. Meine Mutter ist dort und mein Aita, meine Schwestern, meine –«
    »Hört auf mich!« rief Marrah frustriert. »Ihr seid in Gefahr. Wir sind alle in großer Gefahr!«
    »Immer mit der Ruhe.« Die Kapitänin des Raspas legte ihre Hände auf Marrahs Schultern. Sie war eine stämmige, breitschultrige Frau von ungefähr vierzig Jahren, die Art von Seglerin, die sich vor nichts fürchtete, ob zu Wasser oder zu Lande. »Was soll all dies Gerede über Gefahr? Alles, was wir hier haben, ist ein Feld mit zerstörtem Getreide und vielleicht ein großes Feuer.«
    Marrah war wütend über die Anspielung, daß sie ein Feigling wäre, aber dies war nicht der richtige Zeitpunkt zum Streiten. Energisch schob sie die Hände der Frau von ihren Schultern und trat zurück. »Bitte hört mir zu: Wenn wir weiter in diese Richtung gehen, wird uns etwas Schreckliches zustoßen.« Erneut beschrieb sie die Tiermenschen und zeigte auf die Hufspuren, aber alle außer Arang waren überzeugt, daß sie von Kühen stammten.
    Die zwei Gesandten und die drei Frauen setzten daraufhin ihren Weg fort und gingen weiter auf die schwarze Rauchsäule zu, ließen Marrah und Arang neben dem verwüsteten Feld zurück. Was nun? Sollten sie versuchen, zum Boot zurückzukehren? Die Chancen, sich mit dem Boot in Sicherheit zu bringen, standen nicht schlecht, aber das würde bedeuten, die anderen auf Gedeih und Verderb ihrem Schicksal zu überlassen, was immer das auch sein mochte. Marrah brachte es einfach nicht über sich, sie im Stich zu lassen, und als sie Arang fragte, empfand er genauso.
    »Vielleicht sind wir sicherer, wenn wir alle zusammenbleiben«, sagte er. Marrah war davon zwar nicht überzeugt, aber welche andere Wahl hatten sie denn? Hastig machten sie kehrt und rannten den anderen nach.
    Und so sahen sie Shambah, aber nicht das Shambah voll blauen Rittersporns, süß duftender Geißblattranken und weißgetünchter Mutterhäuser, das Cyen beschrieben hatte, sondern eine lichterloh brennende Stadt. Nachdem sie sich einen Weg durch ein Dickicht von Schilfkolben und Wasserlilien gebahnt hatten, bot sich ihnen ein Bild der Verwüstung. Gelbe Flammen züngelten knisternd in die Luft und verzehrten alles in ihrer Reichweite. Hier und da konnte Marrah die Überreste eines Daches erkennen, von Rauch geschwärzt und zerborsten wie eine Eierschale, aber die meisten Mutterhäuser waren bereits unter der glühenden Hitze eingestürzt. Von den einst so farbenprächtigen Schmetterlingsgärten von Shambah war nichts als Asche übrig, und wo einmal die Tempel gestanden hatten, waren nur noch verkohlte Balken, Tonscherben,

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