Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
Vom Netzwerk:
Wenn Marrah nicht gewußt hätte, daß Vlahan wieder betrunken nach Hause kommen würde, hätte sie es fast gemütlich gefunden, dort zu sitzen und die weiche Wolle zu zupfen, während Timak mit monotoner Stimme über Leute redete, die Marrah nicht kannte, und Klatsch erzählte, den sie kaum verstand.
    Es wurde später und später, und Vlahan war noch immer nicht erschienen. Drüben auf der anderen Seite des Lagers dröhnten die Trommeln in einem fort. Hiknak döste über ihrem Hanfseil, Timak machte ein kleines Nickerchen, und Marrah konnte kaum noch die Augen offenhalten. Gerade als sie sich damit abgefunden hatten, wieder einmal endlos lange auf Vlahans Rückkehr warten zu müssen, schob er plötzlich die Zeltklappe beiseite und ließ einen Schwall kalter Luft herein. Sein Gesicht war so rot wie sein Bart, sobald er jedoch sprach, merkte Marrah, daß er nicht betrunken war.
    »Geht zu Bett«, befahl er und machte eine ungeduldige Handbewegung in Richtung der drei Frauen. Marrah rappelte sich auf und ging zu Hiknaks Pritsche, überzeugt, er würde hinter ihr herkommen und sie in sein Bett zwingen, doch statt dessen setzte er sich ans Feuer. Hiknak machte Platz für Marrah, und sie lagen Rücken an Rücken unter der Decke und warteten, aber nichts geschah. Vlahan saß nur weiter schweigend am Feuer. Von Zeit zu Zeit huschte ein seltsamer Ausdruck über sein Gesicht. Er schien höchst zufrieden wegen irgend etwas zu sein, aber vielleicht war es auch nur eine Illusion, verursacht durch die flackernden Schatten.
    Als Marrah schließlich begriff, daß er sie nicht aus dem Bett zerren und sie zwingen würde, Sex mit ihm zu haben, entspannte sie sich und schlief ein. Später, kurz vor Morgengrauen, wachte sie ruckartig auf. Das Feuer war inzwischen erloschen, doch Vlahan saß immer noch an derselben Stelle.
     

19. KAPITEL
    Als Marrah ein zweites Mal aufwachte, lag Vlahan auf seinem eigenen Schlaffell mit dem Gesicht zur Wand, Timak schnarchte vernehmlich, und Hiknak schlief tief und fest, zu einem warmen Ball zusammengerollt. Marrah stand leise auf, um die anderen nicht zu wecken, hüllte sich in ihren Schal und ging hinaus, wo sie den Boden mit Schnee besprenkelt vorfand. Der östliche Himmel war rot, und das hohe Gras sah kalt und schwer aus. Die große Herde war nur eine Ansammlung dunkler Schatten, aber sie konnte das dumpf schnaubende Geräusch der Kühe und Milchstuten hören, das bedeutete, daß ihre Euter voll waren und bald gemolken werden mußten.
    Marrah kniete neben der Feuergrube, blies auf die mit Asche bedeckten Kohlen und legte einige Strohhalme in die Glut, bis sie zum Leben erwachte. Sorgfältig stapelte sie zuerst kleine Stückchen Dung in die Flammen und dann größere. Um sie herum taten andere Frauen das gleiche; in die frostklare Luft der Steppe begann sich der Geruch von Rauch und gebratenem Fleisch zu mischen. Die Flammen züngelten an dem trockenen Brennmaterial hoch, und eine schmale Säule von Funken stieg senkrecht in die Luft auf wie ein Strang gebleichter Wolle. Marrah lehnte sich auf die Fersen zurück und fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis Timak aufwachte und herauskam, um ihr zu befehlen, weiter an dem Zeltloch zu graben. Der Boden schien noch nicht gefroren, aber es war klar, daß es gestern keineswegs zu früh gewesen war, mit der Arbeit anzufangen. Der Winter war gekommen.
    Sie starrte auf den schmelzenden Schnee und dachte an die großen Stürme, die bald aus dem Norden wehen würden. Wo würde sie selbst sein, wenn sich die Schneewehen aufzutürmen begannen? Sie sollte besser wieder in Shara sein, neben dem Kohlebecken im Tempel der Kinderträume sitzen und ihrer Großmutter von ihren Abenteuern erzählen, denn Marrah wußte, wenn sie den ganzen Winter über mit Vlahan in einem Zelt eingesperrt wäre, würde sie etwas Verzweifeltes tun. Vielleicht konnte sie heute mit Arang sprechen oder eine Gelegenheit finden, Stavan eine Nachricht zukommen zu lassen. Alles, was sie brauchten, war ein Plan, der ihnen einen Vorsprung verschaffte, bevor ihr Verschwinden entdeckt würde.
    Sie versuchte gerade, sich einen Plan auszudenken, als sie einen markerschütternden Schrei hörte. Erschrocken sprang sie auf und blickte sich suchend nach der Quelle des Lärms um, aber alles, was sie sehen konnte, waren schiefe braune Zelte. Wieder ertönte ein durchdringender Schrei, gefolgt von einem weiteren. Plötzlich erwachte das ganze Lager um sie herum schlagartig zum Leben: Leute warfen

Weitere Kostenlose Bücher