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Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin

Titel: Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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schon über die Häuser von Shara wand; dann blickte sie auf den Kopf und fragte sich – wie jedesmal –, welche Zukunft der Schlange und der Stadt wohl beschieden sein würde.
    »Großmutter!« gellten plötzlich zwei schrille Stimmen. Lalah blickte auf, leicht verärgert über die Störung, und sah, wie die zehnjährige Ranala und der neunjährige Kandar ihr stürmisch vom Dach ihres Hauses zuwinkten. Es war zwar ein Flachdach, aber die beiden hüpften gefährlich nahe am Rand auf und nieder.
    »Geht da runter!« brüllte sie, doch ihre Enkel waren entweder zu weit entfernt, um sie zu vernehmen, oder taten so, als wären sie außer Hörweite.
    »Hunde!« schrie Ranala. Sie zeigte auf etwas auf der anderen Seite des Hauses, und Kandar wies ebenfalls gestikulierend in jene Richtung.
    Lalah marschierte auf den Zaun zu, fest entschlossen, diesen Unsinn zu unterbinden, bevor er mit gebrochenen Beinen und Hälsen endete. Hunde, also wirklich! Wahrscheinlich bei der Paarung. Warum Kinder immer glaubten, der Anblick sich paarender Hunde sei urkomisch, war und blieb Lalah ein Rätsel. Sie schob den Riedgraszaun beiseite und fand ein einziges Durcheinander vor. Niemand – mit Ausnahme von Bindar – arbeitete noch an der Schlange. Überall auf der Südseite der Stadt kletterten Leute in aller Eile Leiterbäume hinauf, um auf ihre Hausdächer zu gelangen.
    »Großmutter!« rief Kandar wieder. Er spähte über den Rand des Daches, und sein rundes kleines Gesicht war vor Aufregung gerötet. »Da drüben kommt ein Rudel großer Hunde den Strand herauf, und auf einigen von ihnen reiten Leute!«
    Lalah blieb stehen, und der Tadel erstarb auf ihren Lippen. »Hast du gesagt, die Leute reiten auf Hunden?«
    »Ja«, riefen mehrere Erwachsene zu ihr herunter. »Auf Hunden !«
    »Nein!« widersprachen andere. »Schaut doch mal richtig hin. Das sind keine Hunde; dafür sind sie zu groß. Das müssen Hirsche sein!«
    Hunde? Hirsche? Waren plötzlich alle verrückt geworden? Lalah eilte zum nächsten Leiterbaum, kletterte hastig hinauf und zog sich über den Dachvorsprung hoch. Sie richtete sich auf und lief zur anderen Seite, während sie insgeheim dachte, daß sie allmählich ein bißchen zu alt wurde, um Halluzinationen nachzujagen. Kandar, Ranala, Nazur, Tarrah, Barrash und Inhala standen dort schnatternd beisammen und starrten nach Norden. Die Erwachsenen schrien ebenso laut wie die Kinder.
    »Überzeuge dich selbst!« riefen sie und schoben Lalah nach vorn, damit sie besser sehen konnte. Lalah blinzelte und beschattete ihre Augen gegen das grelle Sonnenlicht. In der Ferne bewegte sich tatsächlich eine große Gruppe von Tieren auf die Stadt zu, strebte in raschem Tempo am Saum des Strandes entlang. Die Tiere waren seltsam: bei weitem zu groß, um Hunde zu sein, und zu stämmig für Hirsche. Es waren auch keine Rinder – Lalahs erster Gedanke –, und auf den Rücken von einigen dieser sonderbaren Wesen ritten wirklich Menschen.
    Plötzlich wußte sie, was sie dort sah. Sie ließ ihre Hand sinken und stand einen Moment wie erstarrt da, während sie auf das hektische Gebrabbel der anderen lauschte und ein Gefühl des Entsetzens sie überwältigte. Dies mußten die Tiere sein, die »Pferde« genannt wurden, jene Tiere, von denen Marrah ihr erzählt hatte, bevor sie nach Shambah aufgebrochen war. Die schrecklichen Prophezeiungen bewahrheiteten sich, und nur sie, Lalah, wußte es, weil sie die einzige war, die jemals ein Pferd erblickt hatte. Es war kein richtiges Pferd gewesen, nur eine kleine Nachbildung aus Kupfer, so dünn wie ein Fingernagel, aber die Ähnlichkeit lag auf der Hand. Die Tiermenschen waren gekommen!
    Ihr erster Impuls war, kehrtzumachen und sich in Sicherheit zu begeben; doch dann erinnerte sie sich daran, wer sie war. Eine Priester-Königin von Shara rannte nicht in Panik davon; sie kümmerte sich um ihre Schutzbefohlenen, ganz gleich, was geschah. Lalah versuchte, ihre Furcht zu meistern und einen klaren Gedanken zu fassen, um die Situation zu beurteilen. Dort draußen näherte sich mindestens ein Dutzend von diesen Pferdetieren, aber nur eine Handvoll Reiter. Die Tiere selbst sahen nicht gefährlich aus; tatsächlich hätte Lalah sogar wetten mögen, daß sie Gras fraßen wie Kühe.
    Sie hob ihre Hand, schloß Daumen und Zeigefinger zu einem Ring und blickte angestrengt durch das Loch. Inzwischen waren die Reiter schon deutlicher zu erkennen, waren jetzt so nahe, daß Lalah die Gestalten unterscheiden konnte:

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