Althalus
durchaus echt ausgesehen. Doch nun, aus der Nähe erkannte er, dass sie sich keinen Zoll bewegte. Sie war so unbelebt wie ein Gemälde. »Ghend braucht mehr Übung«, murmelte er Eliar stumm zu.
»Ich verstehe nicht, Althalus«, gestand der Jungkrieger.
»Wenn man etwas näher an sein Trugbild herankommt, sieht man, dass es bloß eine Täuschung ist. Einige dieser Pferde haben alle vier Beine über dem Boden, und die Wimpel ragen von den Lanzen, als wären sie aus Holz. Es ist das Bild einer Armee, Eliar, nichts weiter. Diese beiden Regimenter um das gestreifte Zelt sind alles, was Gelta als Truppen hat. Halt die Hand nahe am Dolchgriff, wenn wir diesen Pavillon betreten, Junge. Gelta ist unzurechnungsfähig, es könnte also sein, dass du ihr den Dolch zeigen musst, um sie zur Vernunft zu bringen.«
»Ich werde keinen Blick von ihr lassen«, versprach Eliar.
Sie saßen vor dem Pavillon ab. Althalus zog die weiße Toga, die er sich von Schatzmeister Dhakan ausgeliehen hatte, über eine Schulter und setzte ein hochmütiges Gesicht auf. »He, du, Bursche«, wandte er sich an einen von Geltas Generälen, »geleite mich zu deinem Führer, und zwar rasch!«
Dem General drohten die Augen aus den Höhlen zu quellen doch er beherrschte sich. Wortlos trat er an das gestreifte Zelt und hielt die Klappe auf. Herablassend warf Althalus dem General eine Kupfermünze vor die Füße und betrat mit Eliar den Pavillon. »Für deine Mühe«, sagte er näselnd.
»Geht Ihr nicht etwas zu weit?«, wisperte Eliar bestürzt.
»Ich bereite mich nur vor«, murmelt e Althalus.
Die Königin der Nacht saß auf einem primitiv gearbeiteten Klappstuhl und bemühte sich um eine majestätische Haltung.
Althalus verneigte sich knapp. »Ich bin Trag und vertrete Ihre Majestät Andine, Arya von Osthos. Was wollt Ihr?« »Öffnet das Stadttor!«, forderte Gelta. »Nicht ohne zuvor die Bedingungen ausgehandelt zu haben«,
entgegnete Althalus mit hochmütiger Miene. »Vielleicht lass ich dir den Kopf, wenn du genau tust, was ich dir befehle«, antwortete Gelta. So dicht in ihrer Nähe konnte Althalus erkennen, wie hässlich
Gelta tatsächlich war. Tiefe Pockennarben zeichneten ihr Gesicht, und ihre große Nase schien bereits mehrmals gebrochen zu sein. Sie hatte winzige Schweinsaugen und mehr als nur eine Spur von Schnurrbart. Ihre Schultern hätten zu einem Ochsen gepasst, und sie roch ranzig.
»Werte Dame«, entgegnete Althalus eisig, »dies ist weder die Zeit noch der Ort für Drohungen. Die Umstände haben Euch einen geringen Vorteil verschafft, deshalb hat meine Arya mich beauftragt, mich nach Euren Bedingungen zu erkundigen.«
»Es gibt keine Bedingungen, du eingebildeter Laffe«, brauste Gelta auf. »Öffnet mir das Stadttor, oder ich zerstöre euer Kaff!«
»Bemüht Euch, die Wirklichkeit zu sehen, Gelta«, erwiderte Althalus. »Nehmt Euch einen Augenblick, um hinauszugehen und die Mauer von Osthos zu betrachten. Unsere Stadt wird durchhalten, egal, was Ihr gegen ihre Mauer werft. Eine Belagerung wäre je doch ein wenig unerfreulich für die Bürger. Nun, ich will nicht länger um den heißen Brei herumreden. Wie viel verlangt Ihr, damit Ihr uns in Ruhe lasst?«
»Du bist sehr schlau - und sehr mutig, Trag.« Diesmal schnurrte Gelta beinahe. »Ich werde dir jedoch nicht auf den Leim gehen. Eure Stadt kann meinen Truppen nicht standhalten. Komme was wolle morgen Mittag werde ich im Palast eurer Arya sein.«
Althalus behielt seine Miene gelangweilter Überheblichkeit bei, obwohl er am liebsten einen Freudentanz aufgeführt hätte. Gelta hatte soeben unbeabsichtigt den genauen Zeitpunkt der Traumvision erwähnt. »Das glaubt vielleicht Ihr«, entgegnete er von oben herab. »Der Winter ist nicht fern und die Mauer von Osthos kann gewiss bis zum Frühjahr standhalten -wobei sich noch die Frage stellt, um welches Frühjahr welchen Jahres es sich handelt. Doch um unnötiges Blutvergießen zu vermeiden, hat meine Arya beschlossen, Euch die Stadt für eine Woche zum Plündern zu überlassen -aber nicht länger! Als Gegenleistung für dieses großmütige Angebot, werdet Ihr Euch morgen bis zum Spätvormittag zurückhalten, damit die Bürger ungeschoren die Stadt verlassen können.«
Geltas Gesicht verfinsterte sich, doch Yakhag, der hinter ihrem Stuhl stand, umklammerte ihre Schulter mit einer Faust im Rüsthandschuh und beugte sich vor, um ihr etwas zuzuflüstern.
Gelta zuckte kurz vor Yakhags Berührung zurück, beherrschte sich dann
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