Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)
Einige seiner Begleiter, die unsicher gewirkt hatten, strafften nun ihre Schultern und zogen entschlossene Mienen.
Doch Miraj war noch nicht fertig. „Dass Henri nicht befreit wurde, war eine demokratische Entscheidung, die von einem Rechtsstaat zur Sicherheit seiner Einwohner getroffen wurde. Aber die, mit denen ihr zusammenarbeitet, kennen kein Recht als das des Stärkeren. Seht euch nur an. Ihr seid hierher gekommen im Auftrag der Schwarzmagier. Glaubt ihr, sie würden euch helfen, wenn ihr hier in Schwierigkeiten geratet? Ihr seid vielleicht 50 Männer und hier im Saal sind mehr als 200. Wenn wir euch angreifen, habt ihr keine Chance.“
Anne musste sich trotz der schwierigen Lage ein Grinsen verkneifen – ein schlaues Argument, um gleichzeitig den Angreifern Angst einzuflößen und die Hochzeitsgäste darauf hinzuweisen, dass sie in der Überzahl waren. Miraj fuhr fort und sah den Männern der Reihe nach ins Gesicht: „Was immer sie euch versprochen haben – euch ist doch klar, dass sie es nicht halten werden. Sie sind jetzt auf euch angewiesen, weil ihr gefahrlos die Steinkreise überwinden konntet, sie aber nicht. Aber sobald ihr außerhalb der Schutzzone seid, seid auch ihr in Gefahr. Lasst Anne in Ruhe und bleibt hier bei uns. Geht auf die Universität, da lernt ihr, Sinnvolleres mit euren Kräften anzufangen, als Leute zu überfallen und auszurauben und im Auftrag der Schwarzmagier herumzuwüten.“
„Genug!“, unterbrach Aracio die Ausführungen. Vermutlich sah er – genau wie Anne – dass einige Männer erneut ins Grübeln gerieten. „Die Argumente sind ausgetauscht worden. Nun wird es Zeit zu handeln. Wer den Lügen dieses Überläufers Glauben schenkt, der das rote Volk und seinen Schüler verraten hat, soll nur hierbleiben. Der Rest folgt nun den Befehlen unseres Herrn und kämpft.“ Er wartete wenige Augenblicke ab. 14 Menschen lösten sich aus der Gruppe und traten zur Seite, ohne ihren Kameraden in die Augen zu sehen. Doch die anderen wirkten umso entschlossener. Aracio nickte ihnen zu und rief: „Angriff!“
Nun folgte ein heilloses Durcheinander. Das magische Feuer um Edward herum begann wieder zu brennen. Gleichzeitig erloschen alle anderen Lichter im Saal und da es draußen bereits dämmerte, konnte Anne das restliche Geschehen nur noch schemenhaft wahrnehmen. Miraj rief ihr zu, sie solle sich in Sicherheit bringen, aber das war nicht ganz leicht, wenn man nicht mehr sah, wer angriff und wer einem zur Seite stand. Die anwesenden Grünmagier und Menschen des gelben Volkes waren aus ihrer Starre erwacht und gingen, da keine Waffen griffbereit waren, mit Fäusten auf die Angreifer los. Andere erinnerten sich endlich an ihre Zauberkräfte und bald waren die einzigen Lichter, die man sah, grüne, gelbe und rote Blitze. Anne blickte sich nach Edward um und stellte fest, dass ein junger Grünmagier ihn unter Einsatz seines Lebens aus dem Feuer gezogen hatte und selbst brannte. Zum Glück war ein anderer junger Mann bei ihm, dessen Gesicht Anne vorhin noch auf der Seite der Angreifer gesehen hatte, der ihn mit dem AQUA-Zauber löschte und ihn verlegen anlächelte, als bitte er um Vergebung.
Anne sah einen Wirbelsturm im Raum, der ihren Recherchen zufolge ein grüner Zauber mit hohem Schwierigkeitsgrad war – offenbar hatten Marzian und Raindor ihre Beherrschung wiedergewonnen und traten nun mit vereinten Kräften gegen die Angreifer an. Tatsächlich erwischten sie Aracio und ein paar andere mit ihrem gefährlichen Zauber. Sie wurden gegen die Wand geschleudert. Zwei nebenstehende Grünmagier jubelten siegesgewiss. Doch schon traf einen von ihnen mit voller Wucht ein heraufbeschworener scharfer Gegenstand am Kopf.
Anne war so abgelenkt von den Zaubern, dass sie Miraj aus den Augen verlor. Hoffentlich ging es ihm gut. Da bemerkte sie plötzlich, wie sie jemand am Arm packte. Sie blickte auf in der Hoffnung, es sei ihr Beinahe-Bräutigam, doch stattdessen sah sie in das höhnische Gesicht eines Anhängers von Aracio. „Sollen sich ruhig alle prügeln, solange ich dadurch den Grund unseres Besuches unbemerkt wegschaffen kann.“ Anne rief laut nach Miraj, doch der Fremde hielt ihr gleich den Mund zu. Grob schleifte er sie zu einer der Türen, die nach draußen führten und schien im Begriff, den Zauber aufzuheben, der sie verschloss. Er war einen Moment unkonzentriert und diesen nutzte Anne. Sie murmelte INVISIBEL in seine Hand und war schon verschwunden. Vor Verblüffung ließ der Mann
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