Alvion - Vorzeichen (German Edition)
bereitgestellten Stuhl niedergelassen und eingeschenkt hatte, kam Hael Zelio zuvor und ergriff das Wort.
„ Nun, verehrter Zelio von Dhomay, wir sind hier, so wie Ihr es wolltet. Wollt Ihr uns nun verraten, was so dringlich ist, dass wir zu einer solch' späten Stunde noch zusammenkommen mussten?“
Hael bemühte sich nicht einmal, seinen Ärger zu verbergen, dass er sich dem Wunsch eines anderen fügen musste, anstatt seine Wünsche, die in seinen eigenen Augen nichts anderes als bindende Befehle darstellten, erfüllt zu bekommen. Bedächtig nickend erhob sich Zelio und begann im Raum auf und zu gehen, ehe er zum Sprechen ansetzte.
„ Verratet mir doch, werte Herren, was gedenkt Ihr zu tun? Eine große Armee des Feindes steht nahe bei Perlia, meines Wissens nach doppelt so stark wie die Eure!“
„ Sind wir etwa tatsächlich hier zusammengekommen um Dinge zu besprechen, die ohnehin jeder von uns weiß?“, fragte Hael sichtlich empört. In diesem Moment erhob sich Melin. Bedächtig strich sich der groß gewachsene Solier eine Falte aus seiner Uniformjacke und verursachte dadurch ein leises Klimpern seines darunter getragenen Kettenhemdes. Er wirkte müde und irgendwie in sich zusammengesunken, ein Eindruck den sein schlohweißes, schulterlanges Haar und sein scheinbar unbewegtes, von Falten durchfurchtes Gesicht noch verstärkte, doch seine blauen Augen leuchteten klar und wach.
„ Die Stadt verteidigen, ehrwürdiger Zelio!“, war seine schlichte Antwort. „Wir hoffen mit jedem Tag auf Verstärkung aus dem Norden, die uns schon lange erreicht haben sollte. Uns ist wohl bewusst, dass der Feind in großer Zahl naht, doch es ist undenkbar, das altehrwürdige Perlia kampflos aufzugeben. Allerdings gebe ich zu, dass ich bereits Überlegungen angestrengt habe, die Armee von hier abzuziehen, wenn sich meine Hoffnung auf Verstärkung nicht erfüllt.“
„ Ihr habt was?“, stieß Allon, ebenso ein alter erfahrener Soldat mit sauber gestutztem grauen Vollbart um das zerfurchte Gesicht und schütterem weißem Haar, zornig hervor.
„ Das wäre Verrat!“, fügte Hael mit bösartigem Unterton hinzu.
„ Ich bezweifle, dass es König Melior ebenso sehen würde!“, antwortete Melin ruhig. „Solien hat ohnehin viel zu wenig Soldaten im Vergleich zu Meridia. Es wäre absolut sinnlos fünfunddreißigtausend Kämpfer von einer dreifachen Übermacht, gegen die sie keine Aussicht auf Sieg hätten, zermalmen zu lassen. Ja, ich wiederhole es, wenn mir nichts anderes übrig bleibt und sich an unserer Lage nichts ändert, werde ich meine Truppen abrücken lassen! Überdies zeigen sich Eroberer der Bevölkerung gegenüber immer milder gesonnen, wenn sie deren Stadt nicht unter schwersten Opfern nehmen musste.“
„ Darauf würde ich bei den Meridianern nicht bauen“, sagte Zelio und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Während Hael, dem die Zornesröte ins Gesicht geschossen war, zu einer wütenden Erwiderung ansetzen wollte, war Allon kreidebleich geworden und in seinen Stuhl zurückgesunken. Er war in dieser Stadt aufgewachsen und wusste, dass er mit seiner lächerlich kleinen Garnison den Feind an der Eroberung der Stadt nicht hindern konnte, denn in diesem Krieg ging es längst um Größenordnungen, denen eine städtische Garnison niemals gewachsen sein würde. In diesem Moment ergriff jedoch wieder Zelio das Wort und beendete den drohenden Streit zwischen Hael und Melin, ehe er ausbrechen konnte.
„ Nun, dann ist es ja gut, dass es einen Plan gibt, Perlia dieses Schicksal zu ersparen, zumindest vorläufig. Eure Verstärkung wird kommen, Melin, und wir werden sie einsetzen!“
„ Woher wollt Ihr das wissen?“ versetzte Hael in unangebrachtem, herrischem Ton.
„ Ich bin ein Magier, Hael. Glaubt mir, wenn ich etwas zu wissen wünsche, erfahre ich es auch!“, belehrte Zelio ihn mit eisigem Blick.
Hael war anzusehen, dass ihm eine zornige Erwiderung auf den Lippen lag, doch er schwieg und biss sich wütend auf die Lippen. In Melins Augen dagegen funkelte Hoffnung, als Zelio weiter sprach.
„ Die feindliche Armee steht und wartet. Sie ist immer noch mehrere Tage entfernt, obwohl sie eigentlich längst hier sein müsste. Sie ist groß, das ist wahr und umfasst in der Tat etwa das dreifache an Truppen, die ihr hier zur Verfügung habt, doch ihnen fehlen Magier, darum rühren sie sich nicht! Das ist etwas, das nur wir vom Orden wissen können. Die wahrhaft mächtigen Magier des Ordens von Fran befinden sich
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