Alvion - Vorzeichen (German Edition)
unseren Linien standen zwar noch einmal ein paar tausend Soldaten als Sicherheit, um eine Umgehung unseres Bogens an dessen oberen Ende aus dem Osten zumindest aufzuhalten, doch auch die würden nichts mehr ausrichten können, wenn aus dem Norden noch ein zusätzlicher Angriff erfolgte. Dort musste die Reiterei alles auffangen. Aber es brachte jetzt nichts mehr, darüber nachzudenken. Die körperliche Anspannung nahm mit jedem Augenblick zu, während ich meine Armbrust vom Rücken nahm, einen Bolzen einlegte und mehrere weitere in meinen Gürtel steckte. Das Nachladen und dann anschließend der Waffenwechsel würden schnell vonstattengehen müssen, wenn es überhaupt dazu kam. Außer dem Lärm im Norden war nichts mehr zu hören. Um mich herum erstarrte alles in unerträglicher Spannung, während sich alle Blicke nach Osten richteten, wo sich eine riesige Menge an Kämpfern im Moment noch langsam näherte, bevor sie schließlich auf ein Signal hin zum Sturm ansetzen würden.
In Haels Ohren klang es wie ein dumpfes Donnergrollen, als die Berittenen auf die Reihen des Feindes getroffen waren. Der linke Block hatte sich schon während des Ansturms immer weiter in die Länge gezogen, um wie eine riesige Welle gegen die Kavallerie und die zehntausend Skelette im Norden zu branden. Dort hatten sich anscheinend die Reiter des Feindes auch noch nicht geordnet, denn erst als die Solier schon fast heran waren, stürmten ihnen die Kragier entgegen. Der mittlere und der rechte Block griffen keilförmig an. Sie würden zuerst nur auf die naraanischen und kragischen Reiter treffen, denn die Tepile im Nordosten waren noch nicht nahe genug heran. Was Hael in jenem Moment verwirrte, war die Tatsache, dass aufseiten der Feinde überhaupt nicht auf die neu eingetretene Lage reagiert wurde. Weder hatte sich dort etwas an der Aufstellung verändert, noch war größere Eile an den Tag gelegt worden oder gar irgendetwas geschehen, um die Solier am Angriff zu hindern. Entweder war man dort so siegessicher, dass man den Angriff nicht ernst nahm oder man hatte auch dort noch einen Trumpf in der Hinterhand. An die dritte Möglichkeit, dass die Führung der feindlichen Armee völlig überrumpelt worden war und nun durch das Fehlen der Entscheidungsträger Ewigkeiten brauchte, um auf die neue Situation zu reagieren, dachte Hael nicht, denn das wäre schon fast zu viel des Guten gewesen.
Während sich also die Reiter im Ansturm befanden, trabte in ihrem Rücken eine kleine Gruppe langsamer hinterher. Von dieser Gruppe schien auf einmal ein Feuerball zum Himmel aufzusteigen, wo er schließlich in schillernden Farben zerplatzte und Hael so stark blendete, dass er die Augen schließen musste. Als er wieder nach Norden blicken konnte, sah er durch sein Fernrohr, worauf er gehofft, aber woran er fast nicht zu glauben gewagt hatte: Weit im Norden, hinter dem Lager der Feinde glaubte er Bewegung am Horizont wahrzunehmen und kurz darauf war er sicher, dass aus dieser Richtung tausende Reiter, ebenfalls in drei großen Blöcken, zum Sturm auf die Meridianer ansetzten. Sie waren tatsächlich zur rechten Zeit bis nach Perlia gekommen! Jetzt musste nur noch gelingen, was Zelio mit so großer Überzeugung dargelegt hatte. Ein Blick auf die Fußsoldaten zeigte ihm, dass auch diese bald stehen würden, wie es geplant war. Im Osten erkannte er, dass bereits tausende auf dem Boden knieten und daran arbeiteten, dem Feind Steine in den Weg zu legen, das gleiche Bild bot sich im Westen.
Ein Blick nach Süden ließ Hael erkennen, dass letztendlich doch noch der Angriff befohlen worden war, denn dort stürmten die kragischen Reiter heran. Sie hatten zwei ungleich große Blöcke gebildet, die die Stadt umgehen sollten. Etwa die Hälfte stürmte genau auf die westliche Verteidigungslinie neben der Stadt zu, die andere Hälfte vereinigte sich mit den naraanischen Reitern und den Skonen aus dem Südosten, und stieß auf der anderen Seite der Stadt vor. Es war klar, dass von dort aus die bogenförmigen Reihen der solischen Soldaten aufgerollt werden sollten.
Im Osten hatte der Anmarsch der Fußtruppen ebenso begonnen, wie im Süden hinter den Reitern. Dort glaubte Hael auch, den größten Tross zu erkennen, mit allerlei Belagerungsgerätschaften, die sich bereits jetzt in Bewegung setzten. Gleichzeitig hörte er auch ein stetig lauter werdendes Heulen, das erste Mal an diesem windstillen Tag. Jeden Moment würden die angreifende Kavallerie auf die erstarrt
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