Am Anfang eines neuen Tages
bitten, auf uns aufzupassen und uns zu zeigen, wohin wir gehen sollen und was wir machen sollen, bis wir uns daran gewöhnt haben, frei zu sein. Er muss auch auf unsere Kinder aufpassen.“
Lizzie konnte nur den Kopf schütteln. Sie wünschte, sie hätte seinen Glauben und könnte immer darauf vertrauen, dass alles gut werden würde, so wie er es tat. Sie griff in die Seifenlauge und fischte eine Socke heraus, die sie über ihre Hand zog, um sie zu schrubben. „Du bist also entschlossen, am Montag nach Richmond zu fahren?“
Er nickte langsam. „Massa Daniel will früh morgens losfahren.“
Lizzie erinnerte sich an das schreckliche Gefühl in ihrer Magengrube, als sie das letzte Mal zugesehen hatte, wie Otis nach Richmond gefahren war. Sie erinnerte sich daran, wie lang die Tage ihr vorgekommen waren, während sie gewartet hatte, und wie viel Angst sie gehabt hatte. Wenigstens konnte Massa Daniel Otis diesmal nicht verkaufen. Sie wusste, dass sie sich keine Sorgen machen sollte. Aber sie tat es trotzdem.
Nachdem Otis gegangen war, wandte sie sich wieder ihrer Wäsche zu und seufzte, als sie den großen Berg in dem Korb sah, der darauf wartete, ausgespült und zum Trocknen aufgehängt zu werden. Wenn im Herbst die Baumwolle gepflückt werden konnte, würde sie mit ihrem Babybauch zu dick sein, um ihm zu helfen. Wie sollte sie all die Arbeit bewältigen, wenn sie außerdem noch Windeln waschen und ein neues Baby stillen sollte? Vielleicht hatte Otis recht. Wenn sie hierblieben und Saul und die anderen zurückkamen, würden sie beide die Hilfe bekommen, die sie brauchten.
Als die Wäsche endlich gemacht war und auf der Leine hing, ging Lizzie in den Küchengarten, um nachzusehen, wie Rufus und Jack mit ihren Haushaltspflichten vorankamen. Sie hatte ihnen den Auftrag gegeben, Wasser zu holen und die Gemüsepflanzen zu gießen, weil es eine Zeit lang nicht geregnet hatte. Die Jungen hatten schwer geschuftet und die schlaffen Bohnenpflanzen richteten sich bereits wieder auf. Aber beide Jungen waren bis auf die Haut durchnässt und sie konnte sehen, dass sie im Wasser gespielt und sich gegenseitig nass gespritzt hatten, während sie die Pflanzen gossen.
„Wie habt ihr Jungs euch denn so nass gemacht?“, neckte sie sie. „Haben eure Eimer Löcher?“
„Nein … Jack und ich haben nur …“ Er zuckte mit den Schultern.
Gespielt , dachte Lizzie. Sie kannten das Wort kaum. „Ist schon gut. Ihr konntet beide ein Bad gebrauchen. Seid ihr bald fertig?“
„Nur noch zwei Reihen, Mama, und –“ Er verstummte. Sein Lächeln erlosch und sein kleiner Körper wurde ganz steif, als er an Lizzie vorbei auf etwas hinter ihr starrte. Sie drehte sich um und sah, dass Missy Josephine aus der Hintertür getreten war und genau auf sie zukam, während sie etwas im Arm trug. Lizzie spürte, wie sie selbst sich ebenfalls versteifte, so als wäre sie in Stärke getaucht worden. Missy konnte es Lizzie nicht verübeln, dass sie keinem Weatherly traute, oder? Wusste Missy Jo, was ihr Bruder und seine Freunde getan hatten? Wenn ja, sollte sie sich dafür schämen, seine Schwester zu sein. Miz Eugenia kannte die Wahrheit. Sie war im selben Zimmer gewesen und hatte gehört, wie die Männer geplant hatten, die Schule niederzubrennen. Oh ja, sie hatte es gehört. Miz Eugenia wusste Bescheid.
„Guten Tag, Missy Josephine.“
„Hallo, Lizzie.“ Sie öffnete das Gartentor und trat ein. „Ich sehe, dass deine Jungs auch hier sind. Gut. Ich habe einen Vorschlag für euch alle.“
„Was für einen Vorschlag denn?“
„Ich möchte euch etwas fragen. Meine Mutter will im Juli einen Tanzabend hier veranstalten und ich dachte, es wäre schön, wenn wir die Steinterrasse vor dem Salon sauber machen könnten, damit die Leute hinausgehen können. Das Unkraut hat überhandgenommen, fürchte ich. Ich habe mich gefragt, ob ich Rufus und Jack anheuern kann, damit sie mir helfen, das Unkraut herauszureißen.“
„Ihre Mutter lässt Sie solche Arbeit nicht machen, Missy Jo, und erst recht nicht, wenn Sie dabei den ganzen Tag mit uns zusammenarbeiten.“
„Ich weiß. Sie hat mir schon verboten, selbst mitzuhelfen, aber sie sagte, ich könne Rufus und Jack zeigen, was sie tun müssen.“ Sie hockte sich hin, um mit ihnen zu sprechen, von Angesicht zu Angesicht, und sie wichen einen Schritt zurück. „Ich habe kein Geld, um euch für die zusätzliche Arbeit zu bezahlen, aber wenn ihr wollt, könnte ich euch als Gegenleistung lesen und rechnen
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