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Am Anfang war der Seitensprung

Am Anfang war der Seitensprung

Titel: Am Anfang war der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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Minuten miteinander umgehen, war unsere Ehe doch ein Hort der Kommunikation. Oder sagen wir: Auf jeden Fall guter Durchschnitt. Meistens jedenfalls.

    Ein paar Tage später erfuhr ich, was Friedrich in den letzten Wochen so beschäftigt hatte.
    »Das ist das Ende«, sagte er, warf die Zeitung auf den Tisch und starrte trübsinnig hinterher.
    »Was ist das Ende?« fragte ich erschrocken.
    Als er keine Antwort gab, griff ich nach der Zeitung.
    Die Schlagzeile hieß: SCHAF GEKLONT! ENGLI-SCHEN WISSENSCHAFTLERN GELINGT PERFEKTE
    KOPIE!
    Seit Jahren arbeitete Friedrich am Transfer von DNS, der Erbsubstanz von Pflanzen und Tieren, in andere Zellen, mit dem Ziel des »Klonens«, der Vervielfältigung. Ich hatte das immer ziemlich gruselig gefunden und insgeheim gehofft, den Wissenschaftlern würde das Experiment nicht gelingen. Nun hatte es doch einer geschafft, nur leider – oder glücklicherweise? – nicht mein Mann.

    »Heißt das, man kann jetzt auch Menschen klonen?« fragte ich entsetzt. Die Vorstellung, manchen Zeitgenossen in mehrfacher Ausführung zu begegnen, fand ich ziemlich ungemütlich.
    »Im Prinzip ja. Technisch ist es möglich, aber natürlich ist es verboten.«
    Als hätte das jemals in der Geschichte der Menschheit etwas genutzt. Alles, was machbar war, wurde irgendwann gemacht, das konnten Gesetze oder Verbote nicht verhindern. Mir wurde sehr unbehaglich zumute.
    »Hast du wirklich geglaubt, du könntest das schaffen?« fragte ich Friedrich.
    »Auch wenn du’s nicht glaubst, wir waren sehr nahe dran. Eigentlich haben wir in den nächsten Monaten mit dem Durchbruch gerechnet. Jetzt können wir die Arbeit von Jahren wegschmeißen.«
    Er stand auf. »Ich geh ein bißchen spazieren.«
    Armer Friedrich.
    Mir wurde klar, wie wenig ich von seiner Arbeit wußte.
    Es genügte mir, daß jeden Monat Geld aufs Konto floß, daß er abends nicht zu spät heimkam und zufrieden war mit dem, was er tat. Was das im Einzelnen war, hatte mich nie interessiert. Ich war auch sicher gewesen, ich würde es nicht verstehen, deshalb hatte ich nicht gefragt.
    Plötzlich hatte ich ein schlechtes Gewissen. Hätte das nicht auch zu meinen Aufgaben als Ehefrau gehört, mich mit dem zu beschäftigen, womit mein Mann sich tagaus, tagein beschäftigte, wie er uns ernährte, was seine Gedanken bestimmte?
    Dann fiel mir ein, daß ja auch Friedrich sich nie um das kümmerte, was ich tat. Ob was zu essen im Haus war, ob die Wäsche gewaschen war, ob die Kinder pünktlich ins Bett gingen, ob ich Streß in der Bank hatte, ob die Heizkostenrechnung bezahlt war – all das interessierte ihn nicht.
    Er ging davon aus, daß alles klappte, und da immer alles klappte, fiel ihm gar nicht auf, wieviel Arbeit das bedeutete.
    Je länger ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, daß ich eigentlich die Bedauernswerte sei. Als er zurückkam, verbrachten wir den Abend mehr oder weniger schweigend, jeder in Gedanken versunken. Ein Hauch von Feindseligkeit lag in der Luft, es war nicht genau festzustellen, von wem er ausging.

Sieben
     
    Mitten in der Nacht schreckte ich hoch.
    Mein Herz klopfte so laut, daß ich es hören konnte.
    Hatte ich schon geschlafen? War es ein Traum gewesen oder einer dieser halbbewußten Zustände zwischen Wachen und Schlafen? Ich hatte gefühlt, wie ein Gewicht meinen Körper herunterdrückte, ganz deutlich hatte ich wahrgenommen, daß ich mich sekundenlang nicht mehr bewegen konnte.
    Friedrich lag tief schlafend neben mir, er schnarchte leicht, und ich wußte, bevor er nicht seine Position wechselte, würde das leicht kratzende Geräusch nicht aufhören. Ich lauschte in die Dunkelheit. In einiger Entfernung fuhr ein Auto, sonst war es völlig still. Nein, halt, ein leichtes Stöhnen, ein leises Schmatzen – das kam aus dem Nebenzimmer, in dem Jonas schlief. Ich ließ die Türen immer einen Spalt offen, damit ich ihn hörte.
    Jetzt nahm ich noch ein Geräusch wahr. Ein dumpfes Poltern, ganz leise, wie aus weiter Entfernung. Dann das Rücken eines Stuhles. Queen Mum war ebenfalls wach.
    Ich sah auf die leuchtenden Ziffern meines Weckers, es war zwei Uhr fünfzehn.
    Plötzlich überfiel mich eine grenzenlose Traurigkeit.
    Zwei Zimmer weiter, wenige Meter entfernt, atmete und bewegte sich die Frau, die mich geboren hatte und die mir doch so fremd war. Wir lebten seit Wochen im selben Haus, wir waren uns äußerlich so nahe wie seit Jahren nicht und gleichzeitig weiter voneinander entfernt als je zuvor.
    Mit jedem Tag

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