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Am Ende der Ewigkeit

Am Ende der Ewigkeit

Titel: Am Ende der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Carver
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kam nicht umhin, ihre fröhliche Gesellschaft zu genießen. Cantha schien ein gefragter Sänger zu sein, und obwohl sein Gesang in Legroeders Augen wie das Stöhnen eines Walrosses klang, klatschten die anderen begeistert Beifall. Legroeder nippte an seinem Krug und plauderte mit Korken, dem jungen Narseil, mit dem er sich auf der Reise angefreundet hatte. Er kam nicht mit auf die Mission, was er sehr bedauerte. Außerdem unterhielt er sich mit Com'peer, der Chirurgin, die auch zurückblieb und darüber recht froh zu sein schien.
    Nachdem die Feier eine geraume Weile im Gange war, bat Fre'geel um Ruhe. Ein Priester der Drei Ringe stand auf und redete ein paar Minuten lang in einem Singsang, der vielleicht ein Gebet war oder ein Gedicht oder aber beides. Dann erhob sich Com'peer, die Bibel in der Hand, und sprach ein Gebet in Legroeders Sprache. Der Text kam ihm vage bekannt vor, obschon er ihn nicht einordnen konnte. Möglicherweise ein Psalm?

    Wenn ich sehe die Himmel,
    deiner Hände Werk,
    den Mond und die Sterne,
    die du bereitet hast:
    was ist der Mensch,
    dass du seiner gedenkst,
    und des Menschen Kind,
    dass du dich seiner annimmst?
    Die anderen Narseil lauschten in respektvollem Schweigen, als Com'peer weitere Psalmen vorlas und mit einem Segen abschloss. Unwillkürlich fühlte sich Legroeder zutiefst bewegt und gerührt. Kurz darauf ergriff Fre'geel wieder das Wort und hielt eine Ansprache, die eher einer Lobrede glich als einer schmissigen Anfeuerungsrede – bis er plötzlich anfing zu singen und zu tanzen. Durch den Raum swingend, wedelte er mit einem Stab, der offenkundig eine Art Datenspeicher-Gerät war, in Legroeders Augen jedoch aussah wie ein hölzerner Gehstock. Cantha, der Legroeders Belustigung bemerkte, kam zu ihm und klärte ihn darüber auf, dass die Narseil kurz vor dem Aufbruch zu einer Mission, besonders, wenn diese gefährlich zu werden versprach, gern ein rauschendes Fest feierten – um es sich noch einmal richtig gut gehen zu lassen, falls sie von ihrem Auftrag nicht heimkehrten. Legroeder nickte. »Bei den Menschen verhält es sich ähnlich«, räumte er ein.
    Zum Schluss sangen die Narseil gemeinsam eine Hymne, wobei sie hin und her schunkelten, ohne ihre Arme ineinander zu verhaken, und ihre Nackensegel synchron im Rhythmus wippten. Legroeder leerte seinen Krug und merkte, dass er betrunken war. Als die Hymne endete, seufzte er und fand, es sei vielleicht an der Zeit, um diesen verrückten Aliens ein bisschen menschliches Kulturgut nahe zu bringen. Er stand auf, räusperte sich verlegen – dann hob er seinen leeren Krug und brüllte: »Hipp, Hipp, Hurra!« Als sich aller Augen neugierig auf ihn richteten, schrie er noch einmal: »HIPP, HIPP – HURRA! Jetzt alle miteinander! So laut ihr könnt!«
    Die Narseil schienen nicht recht zu wissen, wie sie sich verhalten sollten, doch Cantha und ein paar andere stimmten ein … dann immer mehr, bis alle im Raum versammelten Narseil aus voller Kehle brüllten: »HIPP, HIPP – HURRA! HIPP, HIPP – HURRA!« und das Fest lärmend ausklingen ließen.
    Legroeder begab sich in sein Quartier, um ein paar Stunden zu schlafen, ehe er an Bord ging. Auf seiner Matratze liegend, starrte er zur Decke empor und kämpfte gegen den Brechreiz an. Er dachte daran, was die Narseil aus ihm gemacht hatten, und er gestand sich ein, dass er nicht die geringste Lust verspürte, an dieser Mission teilzunehmen. Dann erinnerte er sich an Harriet, an ihren Enkel und an Maris, und an all die anderen Gründe, weshalb er nicht zurückbleiben konnte. Resigniert schloss er die Augen und leerte seinen Kopf von allen Gedanken. Endlich dämmerte er in einen Schlaf hinüber, der viel zu unruhig und viel zu kurz war.
    *

    Als sie sich versammelten, um an Bord zu gehen, hielt Legroeder sich ein wenig abseits. Sein Kopf schmerzte, und er wollte mit niemandem sprechen.
    ◊ Du kannst dir selbst helfen, damit es dir besser geht. ◊
    Legroeder blinzelte verdutzt und sah sich um, nur um sicher zu gehen, dass die Stimme von innen kam. Eines seiner Implantate meldete sich.
    (Na schön. Und wie?)
    Er bekam eine Antwort, und er vergegenwärtigtes sich, dass er die selbe Technik anwenden konnte, mit der er die Implantate kontrollierte. Er schloss die Augen, richtete seine Konzentration nach innen und erschuf rings um sich her eine goldene Wolke, die ihn langsam mit ihrem gespenstischen Leuchten durchdrang. Nach einer Weile ließ er die Wolke verdunsten. Als er die Augen wieder öffnete,

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