Am Ende der Nacht
— etwa beim Starten oder Landen rast man zu schnell in Richtung
Boden, um den Fehler noch korrigieren zu können. Wenn ein Fluglehrer merkt, daß
ein Schüler zu diesem Reaktionsmuster neigt, sollte er ihn ruhig, sachlich und
freundlich auf die Gefahr hinweisen. So, wie Matty es bei mir gemacht hatte.
Ohne Sprüche vom »kürzesten Weg ins Grab«.
Selby steuerte ebenfalls auf den Tresen
zu, sei es, um den Jungen noch weiter zur Schnecke zu machen oder um auf den
Unterrichtsplan zu schauen. Ich stand auf und trat ihm in den Weg. Im ersten
Moment erkannte er mich nicht, aber dann verengten sich seine Augen, und seine
Mundwinkel zogen sich säuerlich nach unten. »Ms. McCone«, sagte er, »Cuda sagt,
Sie hätten eine Schönheit von einer Citabria drüben auf dem Abstellplatz
stehen.«
»So ist es, Mr. Selby.« Ich streckte
ihm die Hand hin.
Der Fluglehrer sah mich an, als
offerierte ich ihm meinen Müll. Dann sah er seinen Schüler in Richtung Tür
streben. »Hey«, rief er, »hast du dich für nächste Woche eingetragen?«
»...Ich weiß nicht, ob ich kann. Ich
rufe Sie an.«
Der junge Mann war schon um uns herum
zur Tür gewitscht, ehe Selby hinzusetzte: »Hey, ich hab dein Flugbuch noch
nicht abgezeichnet!«
»Sieht aus, als hätten Sie gerade einen
Schüler verloren«, sagte ich. Er sah mich finster an. Tiefe, mürrische Falten
entstellten seine ansonsten regelmäßigen Züge. Er könnte ein attraktiver Mann
sein, dachte ich, wenn er nicht diese Unzufriedenheit ausstrahlen würde — eine
Unzufriedenheit, die sich noch verstärkt hatte, seit ich ihn das letztemal
gesehen hatte. Zu meiner eigenen Überraschung wurde mir klar, daß Selbys
Machogehabe und blinde sexistische Vorurteile nur der Schaum auf einem Kessel
siedender Wut waren.
Er sagte: »Sind Sie hier, um mir eins
reinzuwürgen, McCone?« Ich schüttelte den Kopf.
»Warum dann? Ihre Freundin, Ms.
Wildress, werden Sie hier nicht finden. Sie ist droben in Sacramento, bei einer
Flugshow — die große Kunstflugmeisterin spielen.«
Ich beschloß, seinem kaum verhohlenen
Zorn direkt zu begegnen. »Stört Sie das?«
Ein Tic zuckte unter seinem rechten
Auge. Er schob die Lippen vor und produzierte ein furzartiges Geräusch. »Warum
sollte es?«
»Na ja, es klingt, als würde Ihnen das
ganz schön stinken.«
»Was mich stört — oder, um Ihre wenig damenhafte
Ausdrucksweise aufzugreifen, was mir stinkt — , ist, wenn Leute wie Sie diesen
Warteraum hier blockieren. Wenn Sie nicht wegen Wildress hier sind oder um eine
unserer Maschinen zu mieten, warum können Sie dann nicht woanders —«
»Und warum können wir beide nicht
endlich einen Waffenstillstand schließen?«
Er hatte sich aggressiv vorgebeugt und
mir seine Worte ins Gesicht gespuckt. Jetzt wich er zurück. »Was?«
»Waffenstillstand, Mr. Selby. Sie haben
mir nie was getan, ich habe Ihnen nie was getan. Na ja, ich gebe zu, meine
Wortwahl war nicht die gepflegteste, und meine Bemerkung über Ihren Flugschüler
war taktlos. Und ich entschuldige mich dafür.«
Selby war Mattys spitze Zunge gewohnt,
und da er mich mit ihr assoziierte, hatte er von mir ähnliches erwartet. Meine
Entschuldigung hatte ihn aus dem Konzept gebracht, und als ich jetzt noch
hinzusetzte: »Haben Sie ein bißchen Zeit?«, war er völlig verwirrt.
»Ah...« Er sah auf seine Armbanduhr.
»Tja, meine nächste Stunde ist erst um zwei.«
»Dann lade ich Sie zum Mittagessen
ein.«
»Warum?«
»Ich würde Sie gern ein bißchen
aushorchen.«
»Worüber?«
»John Seabrook.«
Ich bemerkte ein seltsames Flackern in
seinen blauen Augen. »Seabrook, hm? Und Sie sind Privatdetektivin. Ist sie
endlich so schlau, ihm mal auf den Zahn zu fühlen?«
Ich lächelte.
»Wird auch Zeit, daß sie auf den
Trichter kommt.«
»Mr. Selby, Sie sind genau der Mann,
den ich sprechen muß.«
»Wie kommen Sie darauf, daß er was
verbirgt?« knüpfte ich an Selbys vage Bemerkungen von eben an.
Er zerquetschte ein Zellophanpäckchen
mit Salzkräckern, öffnete es und ließ die Krümel auf sein Chili rieseln. Dann
gab er Tabasco, Ketchup und schwarzen Pfeffer dazu, probierte und nickte
befriedigt. »Okay«, sagte er mit vollem Mund, »mal sehen, was Sie von dieser
Geschichte halten. Dort drüben an der Hartmann Road« — er zeigte zum Nordrand
des Flugplatzes — »ist so eine asphaltierte Wendeschleife. Sollte die Zufahrt
zu einer Wohnsiedlung werden, die nie gebaut wurde.«
»Ich weiß, welche Stelle Sie meinen.«
»Vor anderthalb
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