Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
die seine Gedanken beherrschte, daher kooperierte er willig.
    Kendra hatte Joel ein paar hundert ihrer Werbezettel gegeben, und Joel hätte sie einfach in den Kanal werfen können, ohne dass seine Tante es je herausgefunden hätte. Aber Unehrlichkeit lag nicht in Joels Natur, also zog er Tag für Tag von der Ladbroke Grove zur Kilburn Lane, die Portobello und die Golbourne Road hinab und jedes Sträßchen dazwischen, um den Stapel, den Kendra ihm aufgebürdet hatte, abzuarbeiten. Nachdem die Geschäfte, Imbisse und Pubs versorgt waren, überlegte er fie-
     

berhaft, wer denn wohl noch eine Massage von seiner Tante in Anspruch nehmen würde. Außer Sportskanonen, denen nach einem Tag im Fitnessstudio die Glieder wehtaten, fielen ihm noch die Busfahrer ein, die eine ganze Schicht lang am Steuer sitzen mussten. Also machte er sich auf den Weg zum Busdepot unter der A 40, einem riesigen Ziegelbau, wo die Stadtbusse untergestellt und gewartet und von wo aus sie wieder auf die Strecke geschickt wurden. Während Toby draußen auf den Eingangsstufen hockte, sprach Joel mit dem Fahrdienstleiter, der ihm gestattete, einen Stapel seiner Zettel auf der Theke liegen zu lassen. Das ließ Joel sich nicht zweimal sagen.
    Als er sich zum Ausgang wandte, entdeckte er Hibah. Sie trug eine Butterbrotdose in der Hand und war traditionell in Kopftuch und ein knöchellanges Gewand gekleidet. Sie hielt den Kopf gesenkt, doch als sie den Blick hob und Joel erkannte, stahl sich ein Grinsen auf ihr Gesicht, das ihre vorgebliche Demutshaltung Lügen strafte.
    »Was machs'n du hier?«, fragte sie.
    Joel zeigte ihr die Werbezettel. »Und du?«.
    Hibah wies auf die Dose. »Ich bring meinem Dad sein Essen. Er fährt die Linie 23.«
    Joel lächelte. »Hey, damit sind wir schon mal gefahren.« »Ja?«
    »Zur Paddington Station.«
    »Cool.«
    Sie gab die Butterbrotdose dem Fahrdienstleiter. Er nahm sie nickend entgegen und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Hibah kam regelmäßig mit dem Essen für ihren Vater hier vorbei, erklärte sie Joel, während sie nach draußen gingen, wo Toby wartete.
    »Auf die Art will mein Dad mich kontrollier'n«, vertraute sie Joel an. »Er glaubt, wenn ich ihm sein Essen mach und bring, muss ich mich anständig anzieh'n und kann mit niemand' rummachen.« Sie zwinkerte. »Ich hab 'ne Nichte - die is' aber in meinem Alter, weil ihr Dad ist mein Bruder, und der is' sechzehn Jahre älter als ich. Jedenfalls trifft die sich mit'nem englischen Jungen, und ich sag dir, die tun so, als wär das der Weltuntergang. Mein Dad hat geschwor'n, dass ich nie 'n englischen Freund krieg, und wenn er mich nach Pakistan schicken muss, um das zu verhindern.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann's nich' erwarten, bis ich endlich alt genug bin und auszieh'n kann und auf eigenen Füßen steh. Das hab ich nämlich vor. - Wer is'n das?«
    Sie deutete zu Toby, der sich an diesem Tag nicht von seinem Schwimmreifen hatte trennen wollen. Als Joel und Hibah das Depotgebäude verlassen hatten, war er aufgesprungen und trat jetzt zu ihnen. Joel stellte ihr Toby als seinen Bruder vor, ohne dieser Information irgendetwas hinzuzufügen.
    »Wusste gar nich', dass du'n Bruder has'«, sagte sie.
    »Er geht auf die Middle Row.«
    »Und jetzt hilft er dir mit dein' Werbezetteln?«
    Joel schüttelte den Kopf. »Ich nehm ihn nur mit, weil er nich' allein zu Haus bleiben kann.«
    »Wie viele haste denn noch?«, fragte sie.
    Im ersten Moment wusste Joel nicht, was Hibah meinte. Dann wies sie mit dem Daumen auf die Handzettel und erklärte, er könne den Rest ohne Probleme loswerden, wenn er sie unter die Wohnungstüren im Trellick Tower schob. Das sei das Einfachste, meinte sie. Sie könne ihm dabei ja helfen.
    »Komm schon. Ich wohn da. Ich lass dich rein.«
    Es war nicht weit zum Trellick Tower. Sie überquerten die Great Western Road und bogen in Meanwhile Gardens ein, und Toby bummelte hinterher. Hibah plauderte ohne Unter- lass, wie es ihre Art war, während sie einen der geschlängelten Pfade einschlugen. Es war ein schöner Frühlingstag, kühl, aber sonnig, und der Park war von Familien und Jugendlichen bevölkert. Kleine Kinder rannten auf dem Spielplatz hinter dem Zaun der Kindertagesstätte herum, und die größeren fuhren auf Skateboards, Inlinern und Fahrrädern in einer Skate-Bowl umher. Sie erweckten auf der Stelle Tobys Aufmerksamkeit. Sein Mund öffnete sich zu einem O, und seine Schritte verlangsamten sich. Dann blieb er stehen, um

Weitere Kostenlose Bücher