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Am ersten Tag - Roman

Am ersten Tag - Roman

Titel: Am ersten Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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entmutigen. Er riet uns, die Kleider zu wechseln, wir könnten unser Gepäck hierlassen. Der Wagen könnte bleiben, wo wir ihn abgestellt hatten. Gegen zehn Uhr bestiegen wir einen Karren, der von einem Esel gezogen wurde. Der Klosterschüler, der die Zügel hielt, brachte uns bis zur Straße. Dort hielt er einen Lieferwagen an, verhandelte mit dem Fahrer und ließ uns auf die Ladefläche klettern. Eine Stunde später stoppte der Wagen auf halber Höhe eines Hangs. Der Mann deutete auf einen Weg, der in einen Kiefernwald führte.
    Unser abenteuerliches Unterfangen begann zunächst mit einer Waldwanderung. Nach einer Weile jedoch entdeckte Keira in der Ferne die Treppe, von welcher der Lama gesprochen hatte, und die drei folgenden Stunden wurden beschwerlicher, als ich vermutet hätte. Je weiter wir kamen, desto höher erschienen mir die Stufen, was nicht nur ein Eindruck war, denn der Hang wurde tatsächlich immer steiler. Was wir jetzt erklommen, glich eher einer fast senkrecht verlaufenden Steinleiter. Nach unten zu schauen, wäre reiner Wahnsinn gewesen, und so hielten wir den Blick starr nach oben gerichtet. Der erste Teil des Aufstiegs führte uns zu den sogenannten »Stufen zum Paradies«. Sie bestanden teilweise nur aus schmalen Holzbrettern und Ketten, die an den steilen Felswänden befestigt waren, und mir war klar, warum man sie so getauft hatte: Wer hier ausglitt, gelangte direkt ins Paradies. Ein Stück weiter ging es wieder steil bergauf.
    »Wie konnte ich nur«, sagte Keira und klammerte sich an einen Felsvorsprung.
    »Wie konntest du nur was?«
    »Dich mit hernehmen. Ich hätte besser auf den Lama hören sollen. Schließlich hat er uns vor den Gefahren gewarnt.«
    »Ich habe, soweit ich weiß, genauso wenig auf ihn gehört wie
du. Außerdem ist es nicht der rechte Moment, darüber zu diskutieren. Denk daran, was der Lama gesagt hat: Die kleinste Unachtsamkeit kann tödliche Folgen haben, also pass auf.«
    Wir erreichten jetzt das Cang-Long-Plateau, das von vereinzelten Kiefern bestanden war, bis wir den Jinsud-Pass überquerten.
    »Hast du wenigstens eine Vorstellung davon, was wir suchen?«, fragte ich Keira.
    »Nicht die geringste, doch ich weiß, dass ich im rechten Moment darauf stoßen werde.«
    Unsere Muskeln schmerzten, und wir spürten unsere Beine nicht mehr. Dreimal wären wir um Haaresbreite abgestürzt, dreimal fanden wir im letzten Augenblick unser Gleichgewicht wieder. Am Ende des Passes boten sich uns zwei Pfade an. Der eine führte zum Ostgipfel, der andere nach Norden. Planken waren mit Eisenhaken in eine Steilwand geschlagen, über die wir unseren Weg fortsetzen konnten. Hier gab es nicht einmal ein Geländer, und wie uns der Lama gesagt hatte, konnten wir uns nur mit bloßen Händen an der Steilwand festklammern.
    »Die Landschaft ist gigantisch, aber schau bloß nicht nach unten«, flehte mich Keira an.
    »Das hatte ich auch gar nicht vor.«
    An diesem Punkt unserer Klettertour verspürte ich die Gefahr am stärksten. Ein heftiger Wind war aufgekommen, sodass wir uns an den Felsen pressen mussten, um nicht in die Tiefe gerissen zu werden. Wie lange würde das andauern? Ich wusste es nicht, aber falls das Wetter schlechter würde, hätten wir im Dunkeln keine Chance mehr weiterzukommen.
    »Willst du umkehren?«, fragte mich Keira.
    »Nein, nicht jetzt. Und wie ich dich kenne, würdest du es morgen erneut versuchen wollen, doch diese Strecke möchte ich um nichts in der Welt noch einmal bewältigen müssen.«

    »Dann lass uns zumindest warten, bis sich der Sturm gelegt hat.«
    Wir kauerten eng aneinandergedrängt in einer Felsnische, die uns nur dürftigen Schutz bot. Der Wind blies in kräftigen Böen, und wir sahen, wie sich bei jedem Stoß die Wipfel der Kiefern in der Ferne bogen.
    »Ich bin sicher, dieser verdammte Sturm legt sich bald«, sagte Keira.
    Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass dies hier das Ende für uns sein sollte, dass nur noch der Tod zweier unvorsichtiger Touristen, die den Hua Shan besteigen wollten, in zwei Zeilen einer Londoner Tageszeitung Erwähnung fände. Ich hörte wieder Walters rügende Stimme, wie ungeschickt ich sei, und ich hätte es ihm nicht übel genommen, wenn er seine Kritik in ebendiesem Moment wieder geäußert hätte. Keira hatte Krämpfe in den Beinen, und der Schmerz wurde unerträglich.
    »Ich halte das nicht mehr aus, ich muss aufstehen«, sagte sie, und ehe ich begriff, was geschah, glitt ihr Fuß aus. Sie stieß einen kurzen

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