Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)
Schüsseln abräumte, machte Michael ihr Komplimente, dass ihr Haferbrei der beste war, den er je gegessen hatte, auch wenn er seit Jahren keinen mehr gehabt hatte.
»Gibt es kein Porridge in Sydney?« Beth sah völlig entsetzt drein.
»In Sydney wird der Hafer an Pferde verfüttert, und die Leute essen Toast, weil Weizen billig ist.« Michael erhob sich und setzte seinen breitkrempigen Hut auf. »Ich habe heute Vormittag einige Dinge zu erledigen, Mrs Blake, und dann treffe ich Dillon in der Taverne Red Lion. Nochmals vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft.«
»Aber Sie kommen wieder hierher zurück, Mr Kelly?«
»Aye, selbstverständlich.«
Rhia erklärte Michael, wo das Red Lion war, und er brach auf.
Antonia sah ihre ehemalige Untermieterin an. Sie war nicht nur schmaler geworden und hatte ihr wunderbares, langes Haar verloren, sondern war auch noch auf eine andere Weise verändert, die sich schwer fassen ließ. »Wir hatten noch keine Zeit zu reden, nicht wahr?«, stellte sie fest. »Ich kann mir nicht im Entferntesten vorstellen …« Sie verstummte. »Ich habe für dich gebetet«, sagte sie schließlich. Es war völlig unzureichend. Alles, was sie sagte, würde das sein.
Rhia betrachtete ihre Hände. »Nun, dann haben mich vielleicht sowohl deine Gebete als auch dein Geld sicher nach Hause gebracht.«
»Was meinst du damit?« Welch seltsame Aussage.
»Ich habe das Geld gefunden, das du in meine Geldbörse getan hast. Sonst hätte ich niemals meine Überfahrt bezahlen können oder die Merinowolle kaufen.«
»Aber ich habe kein Geld in deine Börse getan, obwohl ich sie in deinem Koffer gesehen habe, als ich deine Sachen packte.« Sie schwiegen beide und dachten darüber nach. Rhia war verwirrt. »Aber wer dann?«
»Dann kann es eigentlich nur Mr Dillon gewesen sein«, war Antonia überzeugt. »Er hat deine Truhe abgeholt und sie nach Millbank gebracht. Hätte ich daran gedacht, dann hätte ich sicher noch etwas Geld für dich eingepackt, aber ich war so geschockt …«
»Natürlich. Und ich habe es auch nicht erwartet. Aber ich kann kaum glauben, dass Mr Dillon … und es war so großzügig.«
»Er hält große Stücke auf dich«, erwiderte Antonia, denn das war für jedermann zu erkennen. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie du das alles überstanden hast.«
Rhia lächelte. »Mit Hilfe der Geschichten, die meine Großmutter mir früher erzählt hat, über die keltischen Könige und Feen. Sie hat mir auch meinen Namen gegeben.«
»Verstehe«, sagte Antonia, obwohl das nicht stimmte.
»Rhiannon wurde fälschlicherweise beschuldigt, verflucht und ins Exil geschickt. Erst durch ihr eigenes Leid und die Hilfe von Manannan, dem Gott des Meeres, wurde sie vom Fluch erlöst.«
Es war ein passendes Märchen, dachte Antonia. Und in mancherlei Hinsicht auch nicht wirklich anders als die christlichen Geschichten von Zaubertränken und Toten, die wieder zum Leben erwachten. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, darum wechselte sie das Thema. »Ich möchte dir gerne noch etwas zeigen.«
Der Quilt befand sich in einer Truhe hinten an der Wand. Antonia brachte ihn an den Tisch.
Rhia betrachtete die zusammengerollte Patchworkdecke ein wenig argwöhnisch, als könnten unerwünschte Erinnerungen herauspurzeln. Vorsichtig berührte sie mit den Fingerspitzen den Stoff. »Es war Margarets Wunsch, dass man dir den Quilt schickt, und sie hat auch die Widmung entworfen und gestickt.«
Antonia breitete den Quilt über der Rückenlehne des Chesterfield-Sofas aus und sie betrachteten Margarets Kreuzstich.
An die Damen des Convict Ship Committees. Dieser Quilt, angefertigt von den Sträflingen auf dem Schiff Rajah , soll unserer Dankbarkeit Ausdruck verleihen, mit der wir Ihrer Mühen für unser Wohlergehen in England und während unserer Überfahrt gedenken. Er soll außerdem einen Beweis darstellen, dass die freundliche Ermahnung der Ladys zum Fleiß nicht vernachlässigt wurde. Im Juni 1841.
Antonia beugte sich näher über den Stoff. Das quadratische Mittelstück, auf das die Widmung gestickt war, war irgendwie fester als der Rest, als würde etwas den Zwischenraum zwischen dem Kreuzstich und dem Futter auf der Rückseite verstärken. Es war ihr bereits zuvor aufgefallen, doch sie war zu dem Schluss gekommen, dass wohl der Stickkarton nicht entfernt worden war. Auch Rhia war es aufgefallen. Das Futter auf der Rückseite der Widmung bestand nicht aus schlichtem Leinen, sondern aus einem Quadrat blauer
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