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Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Titel: Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Fitzpatrick
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und Gehässigkeiten auf mich ab, und ich kann im Nachhinein gar nicht fassen, dass ich es einfach zugelassen habe. Es war mir die Mühe nicht wert, meinen Witz an diese Kreaturen zu verschwenden. Ich bin immer noch ganz schwach, nachdem ich drei Tage lang herumgerollt wurde wie ein Bierfass. Eigentlich hatte ich ja gedacht, sie hätten mich bis zum Vanillepudding vergessen, aber die schlimmste Verunglimpfung kam erst noch.
    »Welch Glück Sie doch haben, Miss Mahoney, dass Sie so ein dunkler Typ sind! Es ist manchmal schrecklich ermüdend, immer elegant zu sein und seine zarte Gesichtsfarbe schützen zu müssen!«
    Ich selbst vergnügte mich damit, mir vorzustellen, ihre gelackten Haarlocken seien kleine Hornstummel. Allmählich bekomme ich den Eindruck, es könnte sich in London als Nachteil erweisen, wenn man irisch und katholisch ist. Du weißt natürlich, dass ich nicht wirklich katholisch bin, aber das ist unser Geheimnis. Ich habe mich gefragt, worüber sich englische Damen wohl unterhalten. Jetzt weiß ich es. Es geht um Herkunft und das Einkommen der Leute, mit denen man gerne bekannt gemacht würde. Müßige Menschen, die ihre Zeit damit verbringen, ihre Häuser und sich selbst umzudekorieren. Ich kann mir all die Konventionen und Feinheiten gar nicht vorstellen, von denen ich keine Ahnung habe. Daher hoffe ich sehr, dass die Quäkerin Antonia nicht zu den Günstlingen der feinen Gesellschaft gehört.
    Gerade sehe ich zu, wie sie den Inhalt des Laderaums unseres Postschiffs auf Fuhrwerke umladen. Das scheinen mehr Getreidesäcke als Postsendungen zu sein. Ich habe den Eindruck, als hätte ich die Irische See mit den gesamten Vorräten an Weizen, Hafer und Gerste der Nation überquert. Eine traurige Erinnerung daran, dass es nicht nur irisches Leinen ist, das nach London geschleust wird. Vielleicht sollte ich ja dankbar sein, dass noch kein britisches Gesetz Frauen verbietet, die Zeitung zu lesen, sondern dass es lediglich als vulgär betrachtet wird. Ich frage mich, ob es daran liegt, dass sich eine Frau gegen ihren Gewerbe treibenden Ehemann auflehnen würde, wenn sie sich über die Rücksichtslosigkeit des Handels informieren könnte.
    So, jetzt muss ich meine verdammte Neugier etwas zügeln und mich in einen dieser bedrohlich wirkenden schwarzen Wagen begeben. Damit beginnt die nächste Etappe meiner Reise nach London. Ich vermisse Dich, Mamo.
    Das Schlafabteil hatte die Größe der Brunnenstube am St. Stephen’s Green. Es war kurz vor Mitternacht, und Rhia wollte sich nicht mehr mit Verschlüssen und Schnüren herumärgern. Sie bezweifelte ohnehin, dass sie überhaupt würde schlafen können.
    Die ganze Nacht hindurch klapperten und fauchten die Waggons und hielten an einer laternenerleuchteten Station nach der anderen. Kisten und Koffer und ausgebeulte braune Segeltuchsäcke mit den Insignien der jungen Queen Victoria wurden eingeladen, dann rumpelte der Zug weiter. Die rhythmische Geschäftigkeit und eine zunehmende Nervosität hielten Rhia wach. Ihr kam es so vor, als wäre kaum Zeit vergangen, bis Morgendunst über den Feldern hing, matt und unheimlich in der Dämmerung. Die Umrisse der Steinmauern und sehnigen Bäume erinnerten sie an zu Hause. Das war doch sicher ein gutes Zeichen
    Sie musste eingedöst sein, denn plötzlich war das Licht hell und grell und die Szenerie vor den Fenstern beunruhigend. Die weiche Landschaft des Tagesanbruchs hätte ein Traum sein können. Inzwischen waren die Wälder und Felder von Schlackehaufen und flachem Land abgelöst worden. Ab und zu gab es dazwischen eine Milchwirtschaft oder eine Mühle. Schon bald tauchten verstreut die ärmlichen Behausungen der Stadtrandbewohner auf. Grob verputztes Flechtwerk und kahle Höfe reihten sich entlang der Schienen aneinander. Vereinzelt ein, zwei zerrupfte Hühner, eine magere Ziege, ein verdrecktes Schwein. Das konnte doch nicht London sein?
    Als die armselige Bebauung dichter wurde, sah man immer mehr vom Leben in den Slums. Eine Frau in Nachthemd und Schlafmütze hängte für alle sichtbar ihre Wäsche auf. Ein Mann mit gewaltigem Brustkorb wusch seine Haare mit Hilfe einer Blechbüchse. Kinder saßen auf Stein- und Abfallhaufen und winkten dem vorbeifahrenden Zug zu. Aufgeregt hüpften und schrien sie, als Rhia zurückwinkte. Sie spürte, wie sich eine Kälte in ihrem Bauch ausbreitete. Sie hatte niemals erwartet, dass die Hauptstadt so trist sein würde.
    Der Zug kroch inzwischen so langsam dahin, dass sie sich

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