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Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Titel: Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Fitzpatrick
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erleichtert. Sie konnte es kaum erwarten, ihr Papier und ihre Stifte herauszuholen und die Muster festzuhalten, die sich in ihrer Phantasie überschlugen.
    An der Tür wandte Mrs Blake sich um und warf ihr einen nachdenklichen Blick zu. »Mein Mann hat immer gesagt, dass man alles erreichen kann, wenn man nur daran glaubt.«
    Rhia wollte sie nach diesem Mann fragen, dessen Glaube ihn trotz allem nicht vor dem Tod bewahrt hatte. »Ich wünschte, ich hätte ihn kennengelernt«, sagte sie stattdessen.
    »Ja«, erwiderte Mrs Blake und eilte davon.

13
    G AZE
    Ein neues Muster musste immer erst den Test bestehen, ob es auch am nächsten Morgen noch gut aussah. Wenn es ihr nach wie vor gelungen erschien, dann würde sie anfangen, über Farben nachzudenken. Das Kartuschenpapier lag auf dem Tisch beim Fenster, wo sie den Abend über gezeichnet hatte. Sie schielte zu dem Muster aus wirbelnden Blättern hinüber, das sie entworfen hatte. Es sah anders aus. Die Blätter schienen sich einzurollen, als wäre es Herbstlaub statt neuem, frischem Grün. Sie war sich nicht sicher, ob ihr das gefiel. Vielleicht gab es in diesem Haus einen Geist, der sich an Bildern zu schaffen machte. Das erinnerte sie an ihren Traum. Ryan hatte neben ihr am Tisch gestanden, während sie malte, und sie hatten sich über australische Merinowolle unterhalten. Er hatte gemeint, er hätte nun doch zu viel zu tun und deshalb müsse sie, Rhia, dafür sorgen, dass Brigit welche erhielt. Dann zog er seine Uhr heraus, um zu beweisen, wie wenig Zeit ihm noch blieb, und war in den Flammen des Feuers verschwunden.
    Unten war der Frühstückstisch zwar gedeckt, aber es war niemand im Zimmer. Rhia warf einen raschen Blick auf die fotogene Zeichnung und war überaus erleichtert, weil keine schemenhafte Gestalt zwischen den blassen Stämmen zu sehen war. Sie hatte Laurence fragen wollen, was das bloß für ein gottloser Ort war.
    Der London Globe lag sorgfältig gefaltet auf dem Tisch, und aus dem Samowar kräuselte sich duftender Dampf. Rhia sprach sich selbst Mut zu und schlug die Zeitung an der entsprechenden Seite auf. Die angebotenen Stellen wirkten ebenso bedrohlich wie die vom Vortag. Sie hatte einfach keine Ahnung, was man tun musste, um eine Anstellung zu bekommen. Wie hätte sie auch ahnen sollen, dass sie jemals in eine solche Situation kommen würde? Hatte Thomas recht, war sie wirklich verwöhnt und verweichlicht? Auch Mamo hatte das immer behauptet. Ryan würde ihr mit seinem Rat beistehen, wenn er wieder zurück war. Er hatte ihr fünf Pfund gegeben, was sehr großzügig war. Zusammen mit der Geldbörse, die ihr ihre Mutter zugesteckt hatte, würde das leicht bis zum Frühling reichen, wenn sie umsichtig war.
    Ihre Aufmerksamkeit driftete zu den angenehmeren Zeitungsseiten ab, wo Reklamen für Puder und Salben für nur ein paar Penny Wiederbelebung, Erholung und Überwindung des Alters versprachen. Sie war noch ganz gefesselt, als Antonia mit einem strahlenden Lächeln zu ihr kam. Alle Spuren ihrer gestrigen Melancholie waren heute hinter einer Maske aus Gefasstheit und Lebhaftigkeit verschwunden. Rhia hatte die Quäkerin noch kaum je in Ruhe erlebt. Vielleicht war das die Art, wie sie mit ihrem Verlust umging.
    »Guten Morgen, Rhia. Ich habe das Gefühl, als hätte ich Sie an Ihrem ersten Tag in London kaum gesehen. Ich bin auf einmal schrecklich beschäftigt, weil ich mich neben meinem üblichen Dienst an den Nächsten auch noch um Josiahs Konten kümmern muss. Außerdem sind da die regelmäßigen Versammlungen unserer Freunde, an denen ich selbstverständlich teilnehmen muss …«
    Das war zweifelsohne schon wieder so eine Anstandsregel, die Rhia nicht kannte. »Sie gehen zu regelmäßigen Treffen mit Ihren Freunden?«
    Sie lächelte. »Freunde, so nennen die Quäker sich. So nennen wir uns.«
    Das schien eine seltsame Bezeichnung zu sein. »Ich finde es sehr mutig, dass Sie die Geschäfte Ihres Mannes alleine fortführen wollen.«
    Antonia seufzte. »Ich habe noch gar nicht richtig damit angefangen, und ich bin auch nicht so mutig, wie ich vielleicht wirke. Ich habe Monate gebraucht, bis ich überhaupt sein Zimmer betreten konnte.« Sie verstummte, während sie eine Scheibe Toast mit Butter bestrich. »Die Trauer hat mich ermüdet.« Antonia trug ihren Kummer mit einer Art Leichtigkeit, als wolle sie andere davor beschützen, doch die Schwere war spürbar im Haus, jedenfalls für Rhia. Sie suchte nach Worten.
    »Ich habe noch nie so viele Bilder

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