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Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Titel: Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Fitzpatrick
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seufzte. »Ich soll Gouvernante werden.«
    Laurence lachte in sich hinein, während er sich Kaffee eingoss. »Das kann doch nicht so schrecklich sein, oder?«
    »Nein, wahrscheinlich nicht.« Verlegen bestrich sie sich eine weitere Scheibe Brot und überlegte, was sie sagen könnte. »Aber Mrs Blake hat erzählt, dass Sie fotogene Porträts machen. Das klingt nach einem wesentlich interessanteren Beruf.«
    »O ja, das ist es. Und ich bin wirklich ein Glückspilz, dass ich etwas so schrecklich Angenehmes zum Beruf habe.«
    »Ist Ihr Studio in der Nähe?«
    »Im Moment nutze ich dafür einen von Antonias Räumen.«
    »Dann machen Sie Ihre Porträts in diesem Haus!«
    »Ja, genau.« Er schien sich über ihre Begeisterung zu freuen. »Ich bin erst kürzlich von Bristol nach London gezogen, obwohl ich schon früher regelmäßig hier zu Besuch war. Im Grunde war es Ihr Onkel, der mich drängte, in die Hauptstadt zu kommen, als Josiah … starb.« Für einen Moment zuckten seine Lippen, und er senkte den Blick, aber er fand seine gute Laune sehr schnell wieder. »Antonia ist eine glühende Verehrerin der fotogenen Zeichnung. Und jetzt verraten Sie mir, Miss Mahoney – Rhia –, welchen Eindruck haben Sie von London?«
    Welchen Eindruck sie von London hatte? Sie dachte einen Moment lang nach. Wenn London ein Stoff wäre … »Es ist wie Devoré, würde ich sagen.« War sie zu klug? Und fand auch Laurence das bei einer Frau unattraktiv?
    »Devoré?«
    »Das ist ein Stoff, dessen Flor …«
    »Ah, ich weiß, was Devoré ist, aber auch nur, weil die Ausbrennmuster das Licht besonders gut filtern und schöne Konturen ergeben. Antonia dagegen experimentiert gerne mit Seide. Sie findet sie besonders fotogen , wie wir das nennen.«
    »Dann macht Mrs Blake auch fotogene Bilder?«
    »Jawohl. Aber erzählen Sie mir, warum ist London wie Devoré?«
    »Weil es so üppig ist wie Samt, doch dazwischen gibt es viele kahle Stellen, wo das Gewebe durchscheint.«
    »Wie poetisch.« Er musterte sie wie ein Ausstellungsstück unter Glas.
    »Können Sie tatsächlich fotogene Zeichnungen von Stoff machen?«, fragte sie.
    »Ja, wirklich. Wollen Sie so etwas einmal sehen?«
    »O ja!«
    »Dann zeige ich es Ihnen, sobald ich vom Schreibwarenhändler zurück bin.«
    Laurence kippte seinen Kaffee hinunter, machte eine übertriebene Verbeugung und war weg.
    Rhia überlegte, was sie jetzt tun konnte. Dabei wickelte sie sich nachdenklich eine Haarsträhne um den Finger. Sie fühlte sich strohig an und erinnerte sie daran, dass sie seit Tagen nicht mehr gebadet hatte. Deshalb machte sie sich auf die Suche nach der Küche.
    Beth war offensichtlich stolz, als sie ihr mitteilte, es gäbe ein Badezimmer, und sie zur Rückseite des Hauses führte. Tatsächlich gab es diese Neuerung in der Cloak Lane erst seit kurzem, erklärte das Dienstmädchen. Das Wasser kam durch ein Rohr in Mrs Blakes Keller, wurde nach oben getragen, in Kupferkesseln erhitzt und dann in die Badewanne aus Porzellan gefüllt. Kein Wunder, dass Beth wollte, dass Mrs Blake ein weiteres Dienstmädchen anstellte. Die Badewanne war so riesig, dass sich eine kleine Person bequem darin zurücklehnen konnte. Der Raum selbst wurde von einem bulligen Eisenofen in der Ecke erwärmt. In der Nähe des Ofens war eine Messingstange an der grün gefliesten Wand befestigt, wo ein weißes Badetuch aus Leinen bereit hing.
    Rhia setzte sich mit angezogenen Knien in die Wanne. Es war ein komisches Gefühl, in einem Raum zu sein, der nur als Bad diente. Sie war sich der Nacktheit ihrer honigfarbenen Glieder nur allzu sehr bewusst. Lag das an ihrer Begegnung mit Laurence Blake? Er hatte sie angesehen, als wäre sie etwas Fremdartiges. Ohne Zweifel hatte er sie unkultiviert gefunden. Bestimmt heiratete er ein blasses englisches Mädchen mit einem braven Lächeln.
    Der Wasserdampf, der in der Luft hing, erinnerte sie an den Nebel über dem Atlantik, der sich über das Postschiff gesenkt und es verzaubert hatte. Sie umschlang ihre Knie, als könnten diese sie vor dem Heimweh schützen. Die grünen Fliesen ließen Rhia an den Wald von Wicklow denken, und sie konnte die klare Luft von dort in ihren Lungen spüren, als wäre sie in ihr verwurzelt und hätte Besitz ergriffen von ihrem Blut und ihren Knochen.
    Nach einiger Zeit hörte sie, wie Laurence zurückkehrte, und sie lauschte mit angehaltenem Atem. Zögerte er vor ihrer Tür? Sicherlich nicht. Er kam hurtig die Treppe herauf. Dann hörte sie weitere Schritte,

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