Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Titel: Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Fitzpatrick
Vom Netzwerk:
seines Todes« gemeint? Vermutlich war seine Absicht, irgendwie herauszufinden, was in Ryans persönlichem oder beruflichem Leben schiefgelaufen war. Gab es denn irgendetwas, was ihr in China Wharf aufgefallen war? Ihr fiel die Visitenkarte wieder ein, die sie vom Boden aufgehoben hatte. Auch wenn diese vermutlich ohne Bedeutung war, so konnte sie ja selbst einige Nachforschungen anstellen – wenigstens herausfinden, was die Zahlen und das orientalische Symbol bedeuteten. Vielleicht kam sie sich dann weniger hilflos vor. Irgendetwas an Mr Dillons Interesse an Ryans Angelegenheiten verursachte ihr ein ungutes Gefühl, und sie bereute nun, ihm überhaupt etwas erzählt zu haben.

17
    A RMOZEEN- S TOFF
    Antonia erschauderte, als Juliettes eiskalte Finger ihren Nacken berührten. Das Dienstmädchen befestigte das Schultertuch aus Spitze und trat einen Schritt zurück, um ihr Werk zu begutachten. Sie wirkte zufrieden, wie immer bei den seltenen Gelegenheiten, wo Antonia einen hübschen Kragen oder eine Manschette trug. Das Tuch war dekorativ, aber schließlich wollte Antonia ihre Gastgeber nicht dadurch beleidigen, dass sie zu schlicht gekleidet erschien, sagte sie sich selbst. Es würde ihr nichts ausmachen, wenn alle anderen weiblichen Personen am Tisch Regenbogenfarben trugen. Oder? Sie fröstelte.
    »Es tut mir so leid, Madam, ich habe versucht, sie warm zu reiben, aber es sind einfach kalte Hände, und ich kann nichts dagegen tun.« Juliettes Unterwürfigkeit war mitunter ermüdend, und doch war Antonia genau deshalb damals auf das Mädchen aufmerksam geworden. Sie hatte bei ihrem Wohltätigkeitsbesuch im Arbeitshaus von Manchester eigentlich nicht vorgehabt, sich ein Dienstmädchen zu suchen. Hatte sie geglaubt, sie könne Juliette retten? Inzwischen schien ihr diese Hoffnung fast schon arrogant.
    »Das ist nicht wichtig und verhindert auf jeden Fall, dass ich zu selbstzufrieden werde. Es ist ein Segen, dich zu haben. Sitzt der Kragen denn jetzt gerade? Und was ist mit meinen Haaren? Du weißt, dass ich dir als meinem Spiegel vertraue.«
    »Sie sehen sehr schick aus, Madam, aber auch nicht zu schick natürlich!«
    Antonia lächelte. Juliette schien einen Teil des emotionalen Durcheinanders für sich geklärt zu haben, das der Brief ihrer Mutter ausgelöst hatte. Aber ein gewisses Etwas war immer noch geblieben. Antonia konnte sich nach wie vor nicht überwinden, nach dem Tod von Juliettes Vater zu fragen, auch wenn sie oft das Bedürfnis hatte. Sie musste rücksichtsvoll und behutsam sein. War es das, was Gott wollte – dass keine Kreatur von einer anderen brüskiert wurde? Sie erschrak, weil sie merkte, dass sie offenbar der Rechtschaffenheit überdrüssig wurde.
    Die anderen warteten unten am Eingang. Rhia trug strohfarbene Corinna-Seide, deren Musterdruck so dicht war, dass er fast wie Stickerei wirkte. Ihr Schal war von dunklem, sattem Maisgelb. Die Farben bildeten einen schönen Kontrast zu Rhias tintenschwarzem Haar und ihrer olivenfarbenen Haut, als sei sie eine Art Erntegöttin. Laurence konnte kaum den Blick von ihr abwenden. Antonia erinnerte sich entfernt an eine Geschichte, die von den Überlebenden der Spanischen Armada handelte, deren dunkle Schönheit in Irland bisweilen noch anzutreffen war. Im Vergleich dazu fühlte sie sich wie ein vertrockneter Weizenhalm. Einen Augenblick lang sehnte sich Antonia nach der vergänglichen Freude der Eitelkeit.
    »Sie sehen hübsch aus«, bemerkte Rhia und sah sie dabei fragend an. Antonia spürte, wie sie schuldbewusst errötete. Die Schlichtheit der Kleidung, hatte Josiah ihr einst erklärt, war ursprünglich als Protest gegen die Mode und deren verschwenderische und unbeständige Ansprüche gedacht gewesen. Doch dabei hatte es sich um eine Reaktion auf die übertriebene Ausstaffierung des letzten Jahrhunderts gehandelt. Antonia begriff auf einmal, dass diese Tugenden ohne Josiah möglicherweise ihre Bedeutung verloren hatten. Sie lächelte so überzeugt sie nur konnte.
    »Mr Montgomery wird seine Kutsche schicken …« Das Klappern von Hufen auf dem Pflaster draußen unterbrach ihren Satz. »Und da ist sie schon. Bemerkenswert pünktlich.« Sie machte sich an ihren Handschuhen und der Haube zu schaffen, um ihren aufgewühlten Zustand zu verbergen.
    Rhia blickte aus dem Fenster, als sie die Holborn und Oxford Street entlangfuhren, obwohl es draußen wenig zu sehen gab außer Nieselregen und Kutschenlampen. Sie hatte inzwischen zwei Briefe an mögliche

Weitere Kostenlose Bücher