Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)
unserem Suchtmittel, und wir liefern ihnen dafür das ihre. Ich kann mir vorstellen, dass der Schwarzmarkt vor Lintin Island blüht.«
»Auf jeden Fall.« Dillon sah sie aufmerksam an. »Dann lesen Sie also Zeitung, Miss Mahoney.«
»Ich finde Gefallen an dieser gewöhnlichen Tätigkeit, ja.« Nun hatte sie ihn zweimal an einem Abend zum Lächeln gebracht. Er nahm einen tiefen Schluck Bier.
»Das ist alles sehr öde«, beschwerte sich Miss Elliot. Sie wirkte gelangweilt.
»Aber das ist es nicht, mein Schatz«, versicherte Sid ihr. »Das ist auch nichts anderes, als den Kindern beim Murmelspielen auf der Straße zuzusehen. Sie tauschen immer die, von denen sie zu viele haben, gegen das, was sie am dringendsten haben wollen.«
Mr Dillon stellte sein leeres Glas ab. »Allerdings ein etwas verhängnisvolleres Spiel als Murmeln, Sid. Ein Land wird langsam von einem anderen vergiftet, und die Regierungen von Britannien und Indien haben es abgesegnet.«
Sid beugte sich an Grace vorbei und senkte die Stimme, um etwas zu Dillon zu sagen, was Rhia kaum hören könnte.
»Wo wir gerade von Indien sprechen. Mir ist da etwas zu Ohren gekommen, was Sie interessieren könnte.«
»Ach ja?« Dillon war sofort nüchtern. Er stand auf, entschuldigte sich und gebot Sid, ihm zu folgen. Sie gingen ein Stück weg zum Feuer. Weder Laurence noch Grace nahmen davon wirklich Notiz. Laurence füllte sein Glas auf und lehnte sich zufrieden in der Sitzecke zurück, während Grace sich mit ihren Fingernägeln beschäftigte.
Rhia lauschte angestrengt, um zu verstehen, worüber Sid und Dillon da redeten, aber sie hatten ihr den Rücken zugedreht, und in der Taverne war es laut. Sie schob sich näher ans Feuer heran, bis sie das Gespräch mithören konnte.
»Natürlich erinnere ich mich an Josiah Blakes Unfall«, sagte Dillon.
»Einer der Makler mit einem Quäker-Kunden glaubt nicht daran, dass es ein Unfall war …«
»Wer glaubt das nicht?« Dillons Tonfall war scharf, und Rhia hielt den Atem an.
»Der … Kunde. Es geht außerdem das Gerücht um, dass man Blake bei etwas entdeckt haben könnte, etwas … Un-Quäkerhaftes – etwas wie Opium, und er die Schmach nicht ausgehalten hat.« Sid hielt inne und senkte die Stimme. »Manche behaupten, er hätte sich das Leben genommen.«
»Hat Ihr Quäker einen Namen?«
»Den wollte mir der Makler nicht sagen, also hat er entweder Angst oder er wird bezahlt, denn ich habe noch nie erlebt, dass er seinen Mund gehalten hat.«
»Wenn Sie herausfinden, wer das ist, Sid, dann werde ich dafür sorgen, dass Sie der Liebling der Zeitungsinvestoren werden.«
»Den Deal nehme ich an, Mister.« Sid leerte sein Glas.
Rhia konnte kaum fassen, was sie da hörte. Wenn sowohl Ryan als auch Josiah sich das Leben genommen hatten, bedeutete das dann, dass sie beide in den Opiumhandel verwickelt waren? Interessierte sich der Journalist deshalb so für Ryans Angelegenheiten? Sie ertrug den Gedanken nicht, dass ihr Onkel so tief gesunken war. Und was war mit Josiah Blake und seinem makellosen Ruf? Wie entsetzlich, dass auch er von einem solch schmutzigen Handel profitieren sollte. Wie würde Antonia das ertragen? Sie durfte es nie herausfinden.
Als Mr Dillon sich umdrehte, begegneten sich ihre Blicke, und er hob eine Augenbraue. Rhia tat es ihm gleich, und dabei blieb es.
Sid gesellte sich wieder zu Grace, und Laurence erkundigte sich höflich nach ihren Hochzeitsplänen. In der Zwischenzeit wandte sich Mr Dillon leise an Rhia.
»Was den Tod Ihres Onkels betrifft, Miss Mahoney: Die vom Yard haben seinen Anwalt befragt, und ich habe herausgefunden, dass sein Vermögen eingefroren wird, bis Beweise erbracht wurden, die gegen einen Suizid sprechen.«
» Gegen einen Suizid?«
»Es besteht immer noch eine geringe Chance, dass sein Tod ein Unfall war. Aber dies ist weder die richtige Zeit noch der richtige Ort, um das zu besprechen. Wir müssen wenigstens nachvollziehen, was ihn dazu bewogen hat. Stimmen Sie mir zu?«
»Natürlich.« Rhia hätte ihn fast gefragt, weshalb ihn das interessierte und was er wirklich von Ryan hielt, aber sie befürchtete, dass ihr die Antwort möglicherweise nicht gefallen könnte.
Er verbeugte sich steif. »Dann wünsche ich Ihnen eine gute Nacht und ein frohes Weihnachtsfest.«
»Ihnen auch. Und danke für …« Doch er ging bereits davon. Schlechte Manieren wie immer.
Sid und Grace verabschiedeten sich ebenfalls, und plötzlich stand Rhia neben Laurence unter dem Mistelzweig.
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