Am Rande Der Schatten
in seinen Körper hinein.
Schwester Ariel fiel, aber er bemerkte sie nicht. Licht - Magie - Leben - schwirrte, blutete, explodierte aus jeder Pore seines Körpers. Es war zu viel. Es tat weh. Jeder Schlag seines Herzens versengte seine Adern mit noch mehr Macht. Sein Körper war zu klein.
»GEEEEEH«, sagte Schwester Ariel. Das Wort kam lächerlich langsam. Er wartete, während ihre Lippen sich bewegten. »REETTE…« Rette? Rette was? Warum sagte sie es nicht einfach? Warum war alles so langsam, so unendlich, so verdammt langsam? Er konnte kaum stillhalten. Er blutete Licht. Sein Kopf pulsierte. Eine weitere Kammer seines Herzens zog sich zusammen, während er wartete und wartete. »DEN…«
Rette den König, ergänzte seine Ungeduld. Er musste den König retten. Er musste Logan retten.
Bevor Schwester Ariel das nächste Mal sprach, rannte Kylar bereits.
Er rannte? Nein, rennen war ein zu gemäßigter Ausdruck. Er bewegte sich mit der doppelten Geschwindigkeit des schnellsten Mannes, nein, mit der dreifachen.
Es war pures Glück. Es war purer Augenblick, denn es gab nichts anderes als den Augenblick. Er wich aus und schlug Haken, er blickte geradeaus, so weit seine leuchtenden Augen sehen konnten.
Er bewegte sich so schnell, dass die Luft gegen ihn zu kämpfen begann. Seine Füße fanden nicht den Halt, den sie brauchten, um ihn noch schneller anzutreiben. Er drohte die Erde zu verlassen.
Dann sah er vor sich ein Lager, mitten auf seinem Weg. Er sprang, und jetzt verließ er die Erde doch. Hundert Schritt weit flog er. Zweihundert. Direkt auf einen Baum zu.
Er riss den Ka’kari nach vorn und zuckte, als er durch den einen Meter breiten Stamm krachte. Holz explodierte in alle Richtungen, aber Kylar eilte weiter. Hinter sich hörte er, wie der Baum barst und umzustürzen begann, aber er war bereits zu weit entfernt, um ihn aufschlagen zu hören.
Also rannte er. Er streckte den Ka’kari vor sich aus, sodass er den Wind zerschnitt, streckte ihn hinter sich, sodass er seine Füße auf die Erde presste, damit er noch schneller rennen konnte.
Die Nacht verblasste, und er rannte. Die Sonne stieg empor, und er rannte noch immer, ein Vielfraß, der Meilen verschlang.
Schwester Ariel kroch zu dem Baum zurück, an den sie Ulyssandra gefesselt hatte. Es dauerte lange, aber sie musste es tun. Sie war sich nicht sicher, ob sie, wenn sie schlief, jemals wieder erwachen würde. Endlich erreichte sie Uly. Das kleine Mädchen war wach, die Augen gerötet, und Tränen rannen ihr über die Wangen. Also wusste sie, dass Kylar erwacht war und dass Schwester Ariel sie versteckt hatte, sie verraten hatte.
Es gab nichts, was Schwester Ariel hätte sagen können. Und es gab auch nichts, was eine von ihnen hätte tun können. Schwester Ariel hatte Vi und Kylar freigelassen wie ein Zwillingspaar von Jagdfalken. Es war unmöglich, sie zurückzurufen.
Wenn Uly noch hier war, wenn Ariel erwachte, würde sie das Mädchen zur Chantry bringen. Es würde eine lange Reise werden, und sie würde ihr vielleicht ein wenig Zeit geben, um über das nachzudenken, was sie soeben erlebt hatte.
Bei allen Göttern, der Junge hatte sie vollkommen ausgesaugt und noch immer Raum für mehr gehabt. Sie! Eine der mächtigsten Frauen in der Chantry! Er war so jung, so unbekümmert und erschreckend.
Es kostete sie all ihre Willenskraft, Uly loszubinden. Jetzt Magie zu berühren, war so, als tränke man Alkohol, während man noch verkatert war. Aber binnen eines Augenblicks war es geschehen, und sie brach zusammen.
49
Irgendwie hatte Logan geglaubt, dass etwas Besonderes an ihm sei. Ihm war alles weggenommen worden. Seine Freunde hatte man ihm weggenommen, seine Ehefrau, seine Hoffnungen, seine Freiheit, seine Würde, seine Naivität. Aber sein Leben war verschont geblieben.
Jetzt würde ihm auch das genommen werden. Der Gottkönig würde ihn nicht hier unten lassen. Logan war bereits einmal gestorben und wiederauferstanden. Diesmal würde Garoth Ursuul Logan mit eigenen Augen sterben sehen wollen. Dem Tod würde zweifellos Folter vorausgehen, aber Logan war es gleichgültig.
Wäre er stärker gewesen, hätte er versucht, einen letzten verzweifelten Plan auszuführen, aber nach seinem Fieber war
er nur noch ein Schatten seiner selbst. Zumindest konnte er sein eigenes Leben wegwerfen, um Fin zu töten. Er hätte es tun können - vor dem Fieber. Er war einfach nicht bereit gewesen, dieses Opfer zu bringen, solange er noch Hoffnung gehabt
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