Am Rande Der Schatten
Logan plötzlich geweckt, weil Knirschers Zähne verstummt waren, und er lauschte in der Dunkelheit. Knirscher lauschte ebenfalls, und seine Ohren
mussten besser sein als Logans, denn eine Sekunde später hörte Logan Schritte.
Zwei khalidorische Wachen erschienen über ihrem Gitter und blickten voller Abscheu herab. Die erste war der, den sie hassten. Er öffnete das Gitter, wie er es immer tat, und warf ihr Brot in das Loch, wie er es immer tat. Es spielte keine Rolle, dass sie wussten, dass er es tun würde; Ungeheuer und Tiere gleichermaßen und selbst Logan standen auf und stellten sich vor das Loch, in der Hoffnung, bei einem schlechten Wurf Glück zu haben. Es geschah nur ein oder zwei Mal, aber das war genug, um ihre Hoffnung am Leben zu erhalten.
»Schaut euch das an«, sagte der Wachposten. Er riss den letzten Laib Brot auf, pinkelte darüber und durchnässte ihn mit Urin. Dann warf er ihn hinab.
Logan als der Größte bekam das meiste davon. Er verschlang es sofort, und er ignorierte den Gestank, ignorierte die warme Nässe, die an seinem Kinn heruntertropfte, ignorierte die Entwürdigung.
Der Khalidori brüllte vor Lachen. Der zweite Wachposten lachte unsicher.
Am nächsten Tag kam der zweite Wachposten allein zurück. Er hatte Brot, und es war sauber, und er warf es ihnen hin, einen Laib für jeden Gefangenen. Mit einem schweren Akzent und ohne einem von ihnen in die Augen zu schauen, versprach er, dass er jedes Mal Brot bringen würde, wenn er eine Schicht hatte, die er nicht mit Gorkhy teilte.
Das gab ihnen allen Stärke und Hoffnung und einen Namen für den Mann, den sie mehr hassten als alle anderen.
Langsam bildete sich wieder eine Gesellschaft heraus. In der ersten Nacht waren alle so überwältigt gewesen, einfach Brot zu haben, dass sie nicht einmal versucht hatten, einander
die Laibe zu stehlen. Während sie an Kraft gewannen, kämpften sie dann doch. Binnen weniger Tage legte sich der stumme Yimbo mit Fin an und wurde getötet. Logan schaute zu und hoffte auf eine Chance, an Fin heranzukommen, aber der Kampf war zu schnell vorüber. Fins Messer war ein zu großer Vorteil.
Wenn das Brot kam, sorgte Logan dafür, dass er das meiste davon bekam - nicht nur wegen des Ansehens, sondern um stark zu bleiben. Er hatte fast jede Unze Fett verloren, die er je gehabt hatte, und jetzt verlor er seine Muskeln. Er bestand nur noch aus Sehnen und mageren, alten Muskeln, aber er war immer noch groß, und er hatte seine Stärke. Trotzdem teilte er, was er konnte, mit Lilly, Knirscher und Tatts.
Nach mehr als zwei Monaten gelang ihm ein Durchbruch. Er war nervös gewesen und wurde zunehmend angespannt wegen Fin mit seinen verdammten Sehnenseilen, die immer länger wurden. Logan schlief und wachte beim Geräusch der Dämonen, von denen er sich jetzt manchmal vorstellte, dass sie verantwortlich für das Heulen waren - es war nicht der Wind, davon war er überzeugt. Es waren entweder Dämonen oder die Geister all der armen Bastarde, die im Laufe der Jahrhunderte ins Loch geworfen worden waren.
Sein Kopf pulsierte im Rhythmus des Heulens. Sein Kiefer schmerzte. Er hatte die ganze Nacht mit den Zähnen geknirscht.
Dann fand er seine Menschlichkeit.
»Knirsch«, sagte er. »Knirscher, komm her.«
Der große Mann sah ihn mit leeren Augen an.
Logan rutschte hinüber und legte ganz langsam die Hände auf Knirschers Kinn. Er hatte Angst, dass Knirscher nach ihm schnappen könnte - und wenn Knirscher ihn biss, waren eine Infektion und der Tod hier unten wahrscheinlich -, aber er
streckte dennoch die Hand aus. Knirscher wirkte verwirrt, aber er ließ sich von Logan das Kinn massieren. Binnen Augenblicken veränderte sich der Ausdruck des einfältigen Mannes. Die Anspannung in seinen Zügen, von der Logan angenommen hatte, sie sei ein Teil seiner Missgestalt, löste sich.
Als Logan auf hörte, brüllte der Mann und packte Logan. Logan dachte, dass er sterben würde, aber Knirscher umarmte ihn nur. Als Knirscher ihn losließ, wusste Logan, dass er einen Freund fürs Leben gewonnen hatte, auch wenn dieses Leben im Loch abscheulich, brutal und kurz war. Er hätte weinen mögen - aber er hatte keine Kraft für Tränen.
Sie musste Jarl töten.
Vi stand draußen vor Hu Gibbets sicherem Haus und lehnte den Kopf an den Türrahmen. Sie musste hineingehen, sich Hu stellen und dann losziehen, um Jarl zu töten. So simpel war das, und ihre Lehrlingszeit wäre zu Ende, und sie müsste Hu nie wieder
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