Am Rande Der Schatten
Können ein Ochse und ein Wolf zusammen ins Joch gespannt werden? Sie wusste nicht einmal, ob Kylar an Gott glaubte. Er fühlte sich immer sichtlich unwohl, wenn sie darüber sprach.
Ihre Ziehmutter hatte ihr geraten, ihre Entscheidungen zu treffen, bevor ihr Herz in eine Angelegenheit hineingezogen wurde, aber das war Wasser unter der Brücke und den Fluss hinunter und um die Biegung herum. Uly brauchte sie. Kylar brauchte sie, und sie war noch nie zuvor auf solche Weise gebraucht worden. Kylar gab ihr das Gefühl, schön und gut zu sein. Er gab ihr das Gefühl, eine Dame zu sein. Er gab ihr das Gefühl, eine Prinzessin zu sein. Er liebte sie.
Er war praktisch ihr Ehemann. Sie sagten, sie seien verheiratet, sie lebten zusammen, schliefen im selben Bett, handelten Uly gegenüber als Vater und Mutter. Wahrscheinlich war der einzige Grund, warum sie noch nicht mit Kylar geschlafen hatte, einfach dieser: In den meisten Nächten war sie, wenn er sie tatsächlich berührte, so müde, dass sie sich kaum bewegen konnte. Wenn er morgens versucht hätte, was er in der Nacht tat, hätte sie ihre Jungfräulichkeit binnen fünf Sekunden hergegeben. Sie konnte beinahe seinen Atem in ihrem Ohr spüren. Sie stellte sich vor, einige der Dinge zu tun, von denen Tante Mea so unbekümmert gesprochen hatte - Dinge, die ihr Gesicht hatten brennen lassen, die aber so wunderbar klangen. Sie fühlte sich so tollkühn, dass sie sogar wusste, was sie als Erstes versuchen würde.
Sagten die Schriften nicht: »Lass dein Ja Ja sein und dein Nein Nein«? Sie hatte gesagt, sie sei Kylars Ehefrau. Er hatte gesagt, er sei ihr Mann. Sie würde mit ihm bei dem Ringmacher vorbeigehen, von dem Tante Mea ihr erzählt hatte, und sie konnten die Dinge später nach Art der Waeddryni offiziell machen. Danach.
Kylar saß im Bett, und sie lehnte sich an ihn, während ihre Hände sich zu den Schnüren ihres Morgenrocks bewegten. Sie öffnete ihn.
»Götter«, sagte Kylar und gab ihr einen schnellen Kuss auf die Wange, ohne sich weit genug umzudrehen, um den Rest von ihr sehen zu können. »Ich muss pinkeln wie ein Streitross.«
Er stand auf und begann sich anzuziehen. Einen Moment lang war Elene vollkommen erstarrt. Ihr Morgenrock war offen, ihr Körper entblößt.
»Was wollen wir denn einkaufen?«, fragte Kylar, während er sein Gewand über den Kopf zog.
Sie hatte ihr Kleid kaum zugeschnürt, als sein Kopf auch schon aus seinem Gewand lugte.
»Nun?«, fragte er.
»Was?« Sie fühlte sich, als hätte ihr gerade jemand einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf gegossen.
»Oh, Ulys Geburtstag, richtig? Wir kaufen ihr eine Puppe oder so etwas?«
»Ja, das ist es«, antwortete sie. Was hatte sie sich nur dabei gedacht?
17
Tenser erledigte seinen Auftrag durchaus gekonnt, ging es Vürdmeister Neph Dada durch den Kopf. An einer Stelle war es ihm sogar gelungen, Blut zu husten. Für den Augenblick würde man seine Darbietung als kaltblütigen Trotz in Erinnerung behalten. Sobald er entlastet war, würde man sein Benehmen als mutigen Trotz bezeichnen.
Der Mann, den Tenser angeblich ermordet hatte, der cenarische Baron Kirof, war nie gefunden worden. Aber aufgrund
des Schwurs des cenarischen Hauptmanns der Wache, der gesagt hatte, er habe Tenser den Mord begehen sehen, wurde Tenser schnell schuldig gesprochen. Die Ankündigung seiner Strafe aus dem Mund des Gottkönigs persönlich war auf Erstaunen gestoßen. Der cenarische Adel hatte eine Geldstrafe erwartet, vielleicht eine Einkerkerung, bei der man die Zeit berücksichtigte, die er bereits abgesessen hatte, vielleicht eine Deportierung nach Khalidor. Dass man ihn ins Loch werfen wollte, hielten die Menschen für schlimmer als die Todesstrafe. Was natürlich der Sinn der Sache war.
Tenser konnte die Sa’kagé nicht gut infiltrieren, wenn er tot war oder deportiert wurde. Indem er für eine Zeit ins schlimmste Gefängnis des Landes geschickt wurde, würde er bei den Sa’kagé nie da gewesene Glaubwürdigkeit erringen. Wenn Baron Kirof wieder auftauchte - lebend -, würde Tenser entlastet sein, und er würde wieder die ganze Macht eines khalidorischen Herzogs haben - aber wichtiger noch, er würde so tun, als hege er wegen seiner zu Unrecht erfolgten Einkerkerung einen dauerhaften Hass gegen den Gottkönig. Herzog Tenser Vargun würde den Sa’kagé anbieten, was immer sie wollten. Und dann würde er sie von innen heraus zerstören.
Der Gottkönig hatte wie immer mehr als einen Plan. Indem er einen
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