Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)
Blutspuren.«
Hegarty sah zu seinem Chef hinüber, der ihm fast unmerklich zunickte. »Ja. Aber seine Fingerabdrücke waren auf der Flasche. Wir hielten das für ausreichend für eine Anklage.«
»Ja, auf der mutmaßlichen Tatwaffe fanden sich die Fingerabdrücke des Angeklagten. Es handelt sich um eine Flasche Red Stripe, die ihm dort verkauft wurde – oder eben nicht, denn seine Kreditkarte wurde ja abgelehnt. Also gut. Die Fußabdrücke. Schildern Sie mir, was in dieser Hinsicht geschah.«
Dem hatte er mit einer gewissen Besorgnis entgegengesehen. Am Tatort waren zahlreiche Fußabdrücke gefunden worden, aber keiner davon hatte sich mit Stockbridge in Verbindung bringen lassen. »Wir fanden in dem Blut eine ganze Reihe von Fußabdrücken. Es war ein großes Durcheinander, niemand hielt das Personal davon ab, darin herumzulaufen, um zu helfen. Sie haben natürlich versucht, ihn wiederzubeleben. Stockbridges Fußabdrücke könnten verwischt worden sein, oder er ist vielleicht gar nicht in das Blut hineingetreten.«
»Sogar Sie selbst sind in das Blut hineingetreten, nicht wahr?«
Hegarty atmete tief durch. »Ja, bedauerlicherweise. Da ich als Erster am Tatort war, habe ich sofort ermittelt, ob das Leben des Opfers noch zu retten war. Dem war leider nicht so, aber bei dem ganzen Vorgang wurden meine Schuhe … äh … kontaminiert.« Wie konnten Anwälte tagein, tagaus so reden? Er hatte jetzt schon fast einen Knoten in der Zunge.
Er versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was Kylie sagte. »Es ist aber schon eher ungewöhnlich, dass derjenige, der als Erster am Tatort war, anschließend auch die Festnahme durchführt, oder?«
Hegarty sah erneut zu seinem Chef hinüber, der schmerzerfüllt dreinblickte. Ob ihm seine Eingeweide zu schaffen machten oder Hegartys Unfähigkeit, war nicht ohne Weiteres zu erkennen. »Da es Freitagnacht war, war unser Personal zu diesem Zeitpunkt bedauerlicherweise recht ausgedünnt«, fuhr Hegarty fort. »Man gelangte zu der Auffassung – angesichts der Gefahr, dass der Angeklagte fliehen könnte …« War er halt einfach selbst hingegangen, wollte er sagen. War einfach losgestürmt, old-school-mäßig wie Maverick Mike höchstselbst. Freitagnacht war in Camden nicht unbedingt der beste Zeitpunkt, um sich ermorden zu lassen. Er versuchte, nicht daran zu denken, was er gesehen hatte, als er das Club-Büro betrat: das Blut, das dem Mann immer noch aus der Halswunde lief, und die roten Sprüh- und Spritzflecken an den Wänden.
»Hat sich der Täter nicht auch auf die Hand des Opfers gestellt und sie mehrfach gebrochen? Das haben Sie sogar den Medien gegenüber bekanntgegeben.«
Das war auch so ein heikler Punkt. »Jemand hat das getan. Wir konnten nicht feststellen, wer.«
»So, so.« Sie blätterte weiter. »Schildern Sie mir bitte, wie Sie an den Arbeitgeber des Angeklagten herangetreten sind. Sie hatten ja keine gerichtliche Verfügung, die sie dort hätten vorlegen können.«
»Nun, dort war man ganz offen uns gegenüber. Bei seinen Akten fand sich auch die Beschwerde einer Praktikantin über rassistische Schmähungen seitens ihrer Kollegen.«
»Und diese Praktikantin hat anschließend eine Abfindung in Höhe von einhunderttausend Pfund erhalten, nicht wahr?«
Gereizt fragte Adam Hunt: »Miss McCausland, inwiefern ist das von Belang?«
»Ich möchte das nur mal erwähnt haben. Also gut. Haben Sie irgendwelche Beweise dafür gefunden, dass Mr Stockbridge auch früher schon an Blackouts gelitten hat?«
»Die Personalabteilung hat mitgeteilt, er habe bei der Arbeit einige Male über Gedächtnislücken geklagt.«
»War Ihnen bekannt, dass bei dem Angeklagten eine mit Stress zusammenhängende Form der Epilepsie diagnostiziert wurde?«
»Damals nicht. Inzwischen schon.«
»Aha.«
»Mir war allerdings bekannt, dass er an diesem Abend eine größere Menge Kokain konsumiert hatte.« Hegarty sah, dass sein Vorgesetzter zusammenzuckte, und hielt schnell wieder den Mund.
»Ach ja.« Kylie lächelte. »Charlotte hat das verraten, nicht wahr?« Sie las aus dem Protokoll vor. »›Ich nehme ja nicht mal Drogen.‹ Und da wir gerade über Miss Miller sprechen: Sie haben sich kürzlich von dem Fall abziehen lassen. Warum?«
Die Männer im Raum versteiften sich. Hegarty schluckte. »Weil ich mich als befangen empfunden habe.«
»Aha. Sie haben sich einige Male mit Miss Miller getroffen, nicht wahr? Zum Kaffee, zum Abendessen und auch im Urlaub?«
Er sah sie mit offenem Mund an.
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