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Am Schwarzen Berg

Am Schwarzen Berg

Titel: Am Schwarzen Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Katharina Hahn
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schickte er SMS und Mails voll ironischer Höflichkeitsfloskeln. Schließlich wartete er täglich vor der Akademie. Daß Mia verheiratet war, schien ihm vollkommen gleichgültig zu sein. »Verheiratet. Ich war auch verheiratet, fast zwölf Jahre lang. Mein Sohn arbeitet in den USA .« Sein Steingesicht lächelte. »Am MIT in Boston. Meine Frau wohnt mit einem indischen Zahnarzt am Rhein. Als sie ausgezogen ist, hat sie mir eine faule Katze dagelassen und einen Haufen Art-déco-Lampen. Immerhin haben wir uns darauf geeinigt, Willi gemeinsam großzukriegen. Er saß viel im Zug damals, kannte alle Schaffner auf der Strecke Stuttgart–Köln.«
    Mia hatte im April zum ersten Mal mit Georg geschlafen. Es war ein Montag gewesen, der Tag, an dem sie auf dem Küchentisch im Etzelweg Evas Brief gefunden hatte. Er lag unter einer Tasse, auf deren Grund ein Rest Mate stand. Stäbchenförmige Blätter schwammen in der nach Heu riechenden Flüssigkeit. Der stilisierte Mund, das Logo der Praxis, war zu einem schwarzen Fleck zerlaufen. Peter hatte bereits um halb acht einen Patienten und war weg. Die Jungen putzten sich im Bad die Zähne und gurgelten laut. Ihre Kindergartenrucksäcke hingen über der Stuhllehne. Mia faltete den Brief auseinander.
    »Lieber Peter,
    ich finde es sehr schade, daß Du mein Angebot nicht annehmen willst. Bitte, überlege es Dir doch noch einmal. Es mag ja albern sein, einen Brief zu schreiben, wenn man sich jeden Tag sieht, aber ich habe immer noch die Hoffnung, daß Du die Sache anders siehst, wenn du es schwarz auf weiß hast. Sprich auch mit Mia darüber. Denk bitte darüber nach, was eine Teilhaberschaft an einer so gutgehenden Praxis auch finanziell für Dich bedeuten könnte. Ich verstehe Deine Argumentation natürlich. Man reibt sich auf, in einem Helferberuf wie dem unseren. Ich selbst arbeite seit Jahr und Tag am Rande meiner Kapazitäten. Es bliebe mir bei einer Absage Deinerseits nichts anderes übrig, als mich nach einem weiteren Mitarbeiter umzusehen, der eine solche Chance vermutlich nicht ausschlagen wird.
    Sei herzlich gegrüßt
    von Eva«
    Mia hatte den Brief zweimal gelesen. Ihr war so schwindelig geworden, daß sie sich setzen mußte. Dann kamen Ivo und Jörn hereingestürzt, sie waren hastig aufgebrochen. Mia ging in die Sanitas-Akademie. Als sie gegen fünf nach dem Unterricht und einer viel zu langen Kollegiums-Sitzung das Gebäude verließ, wartete Georg auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
    Ihr erstes Mal, in seiner Wohnung auf einem harten, altmodischen Sofa, war keine Sternstunde gewesen. Er kam zu schnell. Mehr mütterlich als lasziv streifte sie ihm das Gummi ab und verknotete es sorgsam. Sie wunderte sich über die weißen Haare auf seiner Brust und um seinen Schwanz, seinen starken Körpergeruch unter dem teuren After-Shave und über das hektische Programm, das er anfangs noch durchzog, um dann keuchend aufzugeben. Mia wußte, daß sie schön aussah, daß die zwei Kinder, die ihre Bauchdecke überdehnt, die Brüste gesenkt und die Kniekehlen mit blauen Äderchen durchzogen hatten, nicht wirklich zählten. Bei Georg war sie die Königin, das spürte sie an jeder seiner Bewegungen.
    Peter hatte gerade die Kinder gebadet, als Mia nach Hause kam. Der Geruch nach Rosmarinseife zog bis in den Flur, in dem drei Paar lehmverschmierte Wanderschuhe standen. Daneben lag ein umgekippter Rucksack, aus dem nasse Pullover, Tannenzapfen, Stöcke und eine leere Literpackung Eiscreme auf das Linoleum gerutscht waren. Die Küchentür stand offen. Mia bemerkte schon von der Fußmatte aus die Mehlspuren auf dem Boden. Auf dem Tisch standen eine fettige Pfanne mit hellen Teignasen am Rand und ein aufgeschraubtes Marmeladenglas, daneben verschmierte Teller. Die Kinder tanzten, fadenscheinige grüne Handtücher aus Carlas Ausschuß um die Hüften, durch das Wohnzimmer und winkten ihr zu. Ihre Arme sanken herab, denn Mia hatte noch im Mantel angefangen zu schimpfen, bis alle drei stumm in einer Reihe vor dem Sofa standen.
    Peter wurde selten laut. Auch an diesem Tag hatte er die Jungen mit ruhiger Stimme durch das Abendritual geführt: Schlafanzüge anziehen, kämmen, Zähne putzen. Sie hörte ihn durch die dünne Wand singen und erzählen. Er las fast nie vor, immer nur die Lektüre seiner Kindheit. Zwei Bilderbücher, die Mia aus der Stadt mitgebracht hatte, waren wortlos im Flur neben dem Altglas aufgestellt worden. Ivo und Jörn schienen überhaupt kein Interesse an ihnen zu haben. Mia

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