Am Sonntag stirbt Alison
hinten.
»Bloß nicht. Dann fährt er uns wirklich in den Straßengraben.« Lys klammerte sich mit beiden Händen ans Armaturenbrett. Noch nie hatte sie sich in einem Kraftfahrzeug derart unwohl gefühlt.
Allen Befürchtungen zum Trotz schaffte Sebastian es, sie durch den Wald zu steuern, ohne den Transporter gegen einen Baum zu fahren. Schließlich bremste er. »Rechts geht es zum Hotel, links zum Wohnhaus«, sagte er. »Was machen wir?«
»Leo hat gesagt, er fährt zum Wohnhaus, also tun wir das auch«, entschied Lys.
»Da kommt jemand«, warnte Sibel in diesem Moment. Von rechts näherte sich der flackernde Lichtstreifen eines Scheinwerfers und kurz darauf kam ein Motorrad um die Kurve.
»Leo?«, fragte Lys.
»Wohl kaum. Der da hat einen Helm auf«, stellte Sibel fest.
Das Motorrad hielt einen Moment an der Kreuzung. Dann gab der Fahrer Gas, nur um direkt neben der Fahrertür des Transporters erneut zum Stehen zu kommen. Der Unbekannte nahm den Helm ab und klopfte gegen die Scheibe.
»He.« Lys beugte sich nach links. »Das ist diese Putzfrau!«
Die Putzfrau mit den vorstehenden Zähnen machte Sebastian Zeichen, das Fenster herunterzulassen.
»Mann, so eine schnittige Maschine hätte ich der gar nicht zugetraut«, sagte Sebastian beeindruckt und drückte den Fensterknopf.
»Hallo!« Die Putzfrau entblößte ihre hässlichen Vorderzähne, als sie breit lächelte. »Ihr wieder da? Ihr wollen Zimmer?«
»Neinnein«, wiegelte Lys ab. »Aber… Sie haben nicht zufällig Herrn Lambert gesehen? Den dunkelhäutigen Herrn aus Kanada?«
»Nein.« Die Putzfrau machte ein erstauntes Gesicht. »Heute nicht gesehen. Samstag. Da ich gesehen.«
»Ja. Logisch«, stöhnte Sibel von der Rückbank.
»Du gefunden Alison?« Die Putzfrau sah neugierig in den Wagen hinein und musterte Lys’ angespanntes Gesicht.
»Hören Sie«, Lys überlegte, wie sie der Frau die Situation erklären sollte, ohne sie zu Tode zu erschrecken, »wir glauben, dass Alison im Haus von Ihrem Chef ist und Leo… Herr Lambert ebenfalls und dass sie in Gefahr sind.«
»Gefahr?« Die Frau sah sie an, als ob ihr dieses Wort nicht geläufig sei.
»Ja, Gefahr. Wir denken, dass… ach, egal. Danke für die Auskunft. Komm, fahr weiter, Sebastian.«
Sebastian nickte und setzte vorschriftsmäßig den Blinker, bevor er nach links abbog. Lys warf einen Blick zurück. Das Motorrad stand noch immer auf der Kreuzung und man konnte das Gesicht der Putzfrau erahnen, die hinter ihnen herstarrte.
Wenige Augenblicke später tauchten die Lichter des Wohnhauses zur Rechten zwischen den Bäumen auf.
Sebastian hielt an und der Motor setzte mit einem erleichterten Keuchen aus. »Und was jetzt?«, fragte er.
Lys steckte sich zwei Ibuprofen-Tabletten in den Mund. »Wir gehen rein«, sagte sie.
***
»Aua! Pass doch auf!«
»Scht! Ruhe!«
»Das war mein Fuß, du dumme Nuss!«
»Was kann ich dafür, dass es stockdunkel ist?«
»Ruhe, verdammt!«
»Was musst du auch in diesen bescheuerten hochhackigen Stiefeln hier rumlaufen? Wieso hast du nicht gleich High Heels angezogen?«
»Wenn ich gewusst hätte, dass ich heute Nacht noch in ein Haus einsteigen muss, um eine Geisel zu retten, hätte ich meine SWAT-Ausrüstung angelegt. Einschließlich schusssicherer Weste.«
»Haltet endlich die Klappe!!!«
Sie kauerten an der Innenseite des Drahtzauns und starrten zum Haus hinüber. Sieben hell erleuchtete Fenster, doch hinter der Glastür im Wohnzimmer war es dunkel. Lys sah hektisch von rechts nach links. »Da!«, flüsterte sie.
»Was da?«
»Das Badfenster. Es ist offen.«
»Woher bitte weißt du, dass das das Badfenster ist?«
»Milchglas. Kommt, schnell. Bevor die Töle hier auftaucht.«
»Vielleicht hätten wir Özil mitnehmen sollen.«
»Damit der Rottweiler ihn auffrisst? Spinnst du? Meine Tante bringt mich um!«
»Kommt endlich!« Lys rutschte durch die winterharten Stauden, die die Böschung bedeckten. Der Kies knarrte verräterisch, als sie sich durch den japanischen Steingarten kämpfte. Hinter ihr gab es ein Platschen und Sibel fluchte, als sie mit dem rechten Schuh in die Ausläufer des Gartenteichs trat.
»Scht!!!«
»Die Stiefel haben zweihundert Euro gekostet!«
»Leise!« Lys hatte das offen stehende Fenster erreicht und spähte hinein. Es war tatsächlich ein Badezimmer, allerdings ein recht kleines, das so gar nicht zum Rest des herrschaftlichen Gebäudes passte. Vermutlich war es nur ein Gästebad.
Das Fenster war klein und ziemlich weit
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