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Am Strand des Todes

Am Strand des Todes

Titel: Am Strand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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nicht an Zufälle.
Wenn also jemand umkam, mußte es einen Grund dafür geben
– beispielsweise fühlte sich der Gott des Meeres beleidigt und
mußte nun besänftigt werden…«
»Und wie geschah das?«
»Sie brachten ihm ein Opfer dar«, erklärte Riley gelassen.
»Sie führten die Frau des Fischers raus an den Strand und
boten sie dem Meer dar. Manchmal hängten sie sie an einem
der Bäume des Strandwäldchens auf, oder sie brachen ihr das
Genick und ließen sie am Strand liegen, bis die Flut kam und
sie holte.«
»Mein Gott«, murmelte Clem.
Der Alte zog an seiner Pfeife und blickte aufs Meer hinaus.
»Das gibt einem doch zu denken – oder?« meinte er dann. »Ich
habe diese Geschichte jahrelang vergessen – erst jetzt, als das
mit Miriam Shelling geschah, kam sie mir wieder in
Erinnerung. Vielleicht wußten die Indianer einige Dinge, die
wir nicht wissen. Auch wir leben hier vom Meer – und was
geben wir ihm dafür? Wir schmeißen unsere Abfälle rein; das
ist alles. Eigentlich brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn
das Meer ab und zu etwas mehr von uns verlangt…«
»Du meinst
– du glaubst an diese alten IndianerGeschichten?« wunderte sich Tad.
Riley warf ihm einen scharfen Blick zu. »Was spricht gegen
sie?« fragte er. »Immerhin haben wir gerade einiges erlebt, was
sie bestätigen könnte. Ich hab’ auf jeden Fall lange genug mit
dem Meer gelebt, um zu wissen, daß man es nicht
unterschätzen darf. Wenn du übermütig wirst und dich zu stark
fühlst, wirst du rasch eines Besseren belehrt. Das Meer wird
immer Mittel und Wege finden, dir eine Lektion zu erteilen.«
Irgendwie wirkte er erregt; doch dann fuhr er sehr viel
gelassener fort: »Vor allem bei Nacht. Nachts mußt du ganz
besonders vorsichtig sein. Die See kann glatt wie Glas sein,
und du meinst, du kannst ein wenig ausruhen – genau darauf
hat sie gewartet. Dann reicht eine überraschende Bö und eine
Woge, um dich zu verschlingen. Dann hat sie dich, genau wie
sie Pete Shelling holte und so viele andere vor ihm…«
»Und dann auch noch ihre Frauen?« spottete Tad.
»Die holte sich der Strand«, erwiderte Riley ungerührt. »Der
kann genauso tückisch sein wie das Meer, vor allem wenn der
Wind die Nachtwogen gegen das Land treibt. Und immer wenn
die Nachtwogen gegen das Land schlugen, brachten die
Indianer ihre Opfer…«
Seine Stimme verhallte, und eine schwer lastende Stille
senkte sich über die drei. Tad Corey und Clem Ledbetter hatten
Mühe, das eben Gehörte zu verdauen.
»Und alles das glaubst du wirklich?« fragte Ledbetter
schließlich ungläubig.
»Ja, das tu’ ich«, erwiderte Riley gelassen, »und wenn ihr
lange genug lebt, werdet ihr es auch glauben.« Als ob er das
Ende der Unterhaltung andeuten wollte, klopfte er energisch
seine Pfeife aus und erhob sich. »Was haltet ihr davon, wenn
wir es für heute gut sein lassen?«
Clem und Tad verstauten die Netze, und dann gingen die
drei über den Kai auf die Taverne zu, um sich einen
Nachmittagsdrink zu genehmigen. Als sie sich mit ihren
Gläsern an einem Tisch niedergelassen hatten, erblickte Tad
plötzlich Harney Whalen.
»He, Harn«, rief er, »kannst du mal kurz herkommen?«
Der Polizeichef kam herüber und nahm sich einen Stuhl.
»Du hast doch Indianerblut in dir – oder?« sprach Tad ihn
an. Whalen nickte.
»Riley hat uns gerade eine von diesen alten IndianerGeschichten erzählt.«
Whalen musterte den alten Mann, dann fragte er vorsichtig:
»Was hast du ihnen denn erzählt?«
»Die Sache mit den Nachtwogen«, erwiderte Riley, »und wie
gefährlich sie sind.«
Harney Whalen schwieg einen Augenblick, als ob ihm das
Thema nicht unbedingt passen würde. Doch dann meinte er mit
breitem Lächeln zu Corey und Ledbetter: »Ich weiß, was die
Nachtwogen zu bedeuten haben – aber sie sind nur Fremden
gegenüber gefährlich. Und wir alle hier sind doch keine
Fremden – oder?«
13
    Nach einer Nacht voller Alpträume wachte Chip Connors am
nächsten Morgen sehr früh auf. Immer wieder hatten ihn die
toten, anklagenden Augen der Shellings aus dem Schlaf
gerissen; dann lag er lange Zeit schwer atmend da und starrte
zu den über die Decke tanzenden Schatten hinauf, bis er erneut
in unruhigen Schlummer sank. Sobald die Sonne über den
Horizont kroch, stand er auf und machte sich Kaffee. Mit der
Tasse in der Hand saß er dann am Fenster und versuchte, etwas
Ordnung in seine verwirrten Gedanken zu bringen. Ein
vergebliches Unterfangen.
    Gegen neun begann er sich anzuziehen. Fast

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