Amber Rain
vorstellen könnte, mich auf diese Weise zu hintergehen. Es wird immer schwerer, das grüne Biest gefesselt zu lassen. Ich beiße mir auf die Unterlippe, hoffe, dass er mir nichts anmerkt. Ein sanftes Lächeln erweicht seine Miene ein wenig, und endlich entspannen sich seine Fingerknöchel. Er löst die Linke vom Lenkrad und streicht mir federleicht über die Wange. „Und außerdem glaube ich, dass dir das nicht gefa l len würde. Du hast keinen Grund, eifersüchtig zu sein, Baby. Ich gehöre nur dir.“
Ich fange seine Hand ein und führe sie zu meinem Mund. Streichle mit den Lippen seine verspannten Sehnen, küsse seine Fingerknöchel.
„Ich liebe dich“, wispere ich. Ihm ist es nicht schwer gefallen, diese Worte auszusprechen, letztens nach der Szene in seinem Atelier. Aber dann, Crispin ruht normalerweise so sehr in sich selbst, dass es nicht viele Dinge gibt, die ihm Angst machen könnten, oder ihn verunsichern. Ich hingegen bin ein Knäuel aus Ängsten, Unsicherheiten und Zurückhaltung. Vielleicht ist das viel zu früh, ihm zu sagen, dass ich ihn liebe. Ich weiß es nicht. Ich war noch nie wirklich verliebt. Aber da sind all die Dinge, die er für mich getan hat. Das, was da tief in meiner Brust lebt und wächst und gedeiht, was soll das denn sonst sein, wenn nicht Liebe? Ineinander verschlungen legen wir u n sere Hände in meinen Schoß. Leise und gleichmäßig rollt der Bentley dahin. Es ist wie Fahren auf Schienen. Die Bebauung wird lockerer, die Häuser hier haben Vorgärten und schmied e eiserne Gartentore. Nicht mehr lange und wir werden bei ihm sein.
„Ich könnte es tun. Wenn du willst, Crispin, dann kann ich dein Model sein bei dieser Performance. Dann kannst du sicher sein, dass niemand sich daran versucht, der nicht sicher ist.“
Mit einem Ruck entzieht er mir seine Hand. Er schaltet einen Gang hinunter, der Wagen verlangsamt sich, fährt um eine Kurve.
„Amber Rain, Amber Rain.“ Was ist das in seinem Ton? Ich kann es nicht deuten. Ein bisschen Trauer meine ich darin zu hören, ein bisschen Wehmut.
„Was?“
„Du weißt doch noch nicht einmal, zu was ich fähig bin. Was hast du gemacht? Du hast mich zwei Mal erlebt, bisher, in einer Szene. Weißt du überhaupt, was du da anbietest?“
Ich hebe die Schultern. Nein, wahrscheinlich weiß ich es nicht. Aber ich weiß, dass ich auf einer Bühne bestehen kann, und ich weiß, dass ich diesem Mann vertraue.
„Dann zeig es mir.“ In einer heftigen Bewegung wendet er sein Gesicht zu mir. Sein Schock ist offensichtlich. Im Dunkel der Nacht wirkt das Weiß in seinen Augen hell, unergründlich. „Nimm mich mit in dein Atelier, wenn wir nach Hause ko m men, und zeig es mir.“
Ein Stöhnen grollt in seiner Kehle. „Was … was machst du mit mir, Amber?“ Er fährt mit sich mit der Hand durchs Haar, zerrt an den dicken Strähnen, bis es ihm so unordentlich in die Stirn fällt, wie ich es noch nie bei ihm gesehen habe.
„Warum willst du nicht?“
„Amber, Baby. Wenn ich heute mit dir spiele, dann kann ich nicht für mich garantieren. Nicht mit all der Wut in mir. Nicht mit dem Bild von Michaelas Gesicht in meinem Kopf und meiner Frustration, dass ich es nicht verhindert habe.“
„Und morgen?“
„Amber …“
„Schon gut“, unterbreche ich ihn. „Du musst nichts sagen. Aber wenn du mich brauchst, in deinem Atelier, oder bei der Perfomance, dann bin ich für dich da.“ Der Bentley biegt in die Einfahrt vor Crispins Haus. Wir sind angekommen.
10
Crispin
Sonntagmorgen. Seit fünf Uhr liege ich wach und betrachte die Frau in meinem Bett. Ihr bernsteinfarbenes Haar ringelt sich auf meinen Kissen. Ihr Gesicht ist gelöst, entspannt. Sie lächelt hin und wieder im Schlaf, und ich frage mich, wovon sie träumt, und es macht mich traurig, dass man Träume nicht te i len kann. Die meisten unserer Träume lösen sich auf, sobald wir aufwachen. Menschen träumen Nacht für Nacht, doch nur selten erinnern sie sich am Morgen daran.
Frühstück. Amber fragt nach Maya, aber ich glaube nicht, dass das Hausmädchen heute zum Dienst erscheinen wird. Amber wirkt irritiert, doch sie sagt nichts. Sie macht Kaffee und Toast und Rühreier mit Speck, aber nach dem, was letzte Nacht im Club passiert ist, haben wir beide nur wenig Appetit.
„Was willst du heute tun, Amber?“, frage ich und nehme über den Tisch hinweg ihre Hände in meine.
„Ich habe keine Pläne. Was willst du tun?“
Ich weiß genau, was ich tun will. Die Ereignisse
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