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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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Restaurants und Clubs ihren Betrieb geführt. Die Ladeninhaber der Straßen kannten damals ihre Kundinnen so persönlich, wie sie bereits deren Mütter gekannt hatten; mit Selbstverständlichkeit gingen sie davon aus, genau wie die Kundinnen selbst, einmal auch ihre Töchter gut zu kennen.
    Otsukas Firmensitz, eines der architektonischen Wunder, die ausschließlich auf dem kühlen Bildschirm des technischen Zeichners so erhaben wirken, nahm fast die gesamte Südseite des Häuserblocks ein. Der Hochbau mit in Aquaneon konturierter Silhouette ragte bis in unerahnbare Höhen empor; die oberen Stockwerke kragten jeweils über die unteren Etagen aus, so daß selbst mittags nur wenig Sonnenlicht auf die Straße herabdrang und aus den Rissen im Asphalt, wäre die Stadt menschenleer und bliebe verlassen, nicht einmal Gras wüchse.
    Das Atrium im Innern hatte die Höhe des Gebäudes, das es umschloß; die leeren Aufzugkabinen ähnelten durchsichtigen Projektilen in langen Gewehrläufen aus Gias.
    »Er unterhält hier als einziger ein Büro«, sagte Thatcher, stierte zu den Wächtern ins Foyer hinein. »Da müssen wir durch.«
    Gus meldete unser Grüppchen an; die Wächter, deren Stimmen starken Akzent hatten, wiesen uns in den mittleren der transparenten Schächte. Wenn sie unter sich sprachen, verwendeten sie einen melodischen karibischen Patois. Als ich den Lift betrat, zeigte sich der Boden so glasklar wie die Wände. Gus betrachtete starr die Decke der Kabine und die Kabel an den Seiten; daß er an Höhenangst litt, hatte ich nie gewußt. »Ich kann mich nicht entsinnen, daß die Japsen je was wirklich Konstruktives oder Positives geleistet hätten«, meinte Thatcher.
    Nach Verlassen des Lifts gelangten wir in Otsukas Vorzimmer. Wohin wir blickten, sahen wir den Kreationsstil der Dekorateure, die auch unsere Chefetage geprägt hatten: Inmitten der Drei-Tage-Bart-Atmosphäre zwischen den Noppenwänden überwucherten neben rundlichen, wie Holzkohle grauschwarzen Sofas verstaubte Gummibäume ihre Keramiktöpfe. Die Sitzflächen der Sofas hatten eine raffinierte Neigung, damit kein Besucher sich allzu lange herumflegeln konnte, ohne hinabzurutschen. Ein HD-Monitor listete aktuelle Zahlen der asiatischen Börsen auf. Die Empfangsdame, eine gertenschlanke Japanerin, erhob und verbeugte sich, etwas an ihrem Lächeln gemahnte stärker an Schönheitschirurgie als an Sekretärinnenschulung. Ihre Stimme ertönte, sobald sie uns ansprach, aus anderer Quelle als ihrem Mund.
    »Mr. Otsuka erwartet Sie, Mr. Dryden.«
    Thatcher zückte aus der Jackentasche einen Kugelschreiber und warf ihn nach der Frau; der Kuli flog durch ihr Konterfei und prallte dahinter von der Wand ab. Wir erspähten die Linse, die das Hologramm projizierte, in der Decke des Vorzimmers.
    »Sie werden echt gut in diesem Scheiß«, bemerkte Thatcher. »Irgendwie müßten wir das uns doch nutzbar machen können.«
    Wir traten ein. Otsuka saß an seinem Schreibtisch, seine Umrisse hoben sich gegen das Fenster hinter seinem Rücken ab. Es bot über einen Abstand hinweg, der kaum den Durchmesser eines Mietshausluftschachts übertraf, Ausblick auf ein anderes Fenster. Metallrolläden verhüllten die Glasaugen des gegenüber hochgetürmten Wolkenkratzers. Über einem Kamin, in dessen Feuerstelle allem Anschein nach noch nie ein Holzscheit gelegen hatte, hingen Drucke traditioneller japanischer Kunst. Den breiten Teakholzschreibtisch schmückten ein Bonsai-Bäumchen sowie ein dicker Bernsteinklumpen; im Bernstein stak ein winziger, vom Naturgeschehen mitten im Sprung eingegossener Frosch. Otsuka sah so adrett aus wie der Leichnam einer vornehmen alten Matrone. Zwei Männer halfen ihm beim Aufstehen, stützten seine Arme, als er sich verneigte, als befürchteten sie, dabei könnte er entzweibrechen.
    »Erfreut, Mr. Dryden«, grüßte Otsuka, entpreßte seiner alten Luftröhre einen unvermutet resonanten Singsang. »Ihre Gegenwart ist ein großes Geschenk.«
    »Gut, was anderes habe ich nämlich nicht mitgebracht«, antwortete Thatcher, vollführte eine schwungvolle Gebärde der Hand. »Meine Mitarbeiter.«
    »Meine«, sagte Otsuka, wies auf sie. Seine beiden Buchstützen machten ebenfalls ihren Kotau; es handelte sich um ältere Männer mit silbergrauem Haar, randlosen Brillen und maßgeschneiderten Anzügen, die ihre Leibesfülle nicht mehr kaschierten; im schummerigen Tageslicht wirkten sie wie aus Stein gehauen. Sämtliche anwesenden Leibwächter taxierten einander. »Ich

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