Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes
schicken.«
»Aber«, fing Mary mit weit aufgerissenen Augen an. »Aber wie …«
Ich fand Mr. Vandergelt in Ahmeds Gesellschaft vor. Der Koch kauerte, umgeben von den Bündeln, die seine irdische Habe einschließlich seiner wertvollen Kochtöpfe enthielten, auf dem Boden und starrte gedankenverloren zur Decke, während Vandergelt mit zwei Handvoll amerikanischer Dollarnoten vor seiner Nase herumwedelte.
Als ich die Küche wieder verließ, war Ahmed an der Arbeit. Allerdings ist das nicht ausschließlich mein Verdienst; Ahmeds übertriebene Gleichgültigkeit war ein verräterisches Anzeichen dafür gewesen, daß der Anblick des Geldes seine Wirkung auf ihn nicht verfehlte. Und das Gehalt, das er sich schließlich anzunehmen bereiterklärte, war in der Tat fürstlich. Doch ich rühme mich, daß meine leidenschaftlichen Appelle an seine Ehre, Treue und Freundschaft auch einen Einfluß gehabt hatten.
Gnädig wies ich die Komplimente zurück, mit denen Mr. Vandergelt mich überschüttete, und bat ihn, Lady Baskerville die gute Nachricht zu überbringen. Dann war es mir endlich möglich, mich meiner von der Arbeit beschmutzten Kleidungsstücke zu entledigen. Zu meiner Erleichterung waren die Wasserkrüge im Badezimmer gefüllt. So sehr ich meinen Aufenthalt im kühlen Wasser auch gern verlängert hätte, beeilte ich mich doch, so sehr ich konnte. Zwar war die akute Krise überwunden, doch ich war mir sicher, daß noch weitere Schwierigkeiten meiner harrten. Ich war halb angezogen, als Emerson durchs Fenster kletterte und, ohne mich eines Blickes zu würdigen, durchs Zimmer ins Bad stolzierte und die Tür zuknallte.
An seinem Gesicht erkannte ich, daß seine Mission gescheitert war. Obwohl ich mich danach sehnte, ihn zu trösten, konnte ich nicht warten – außerdem war er in diesem Augenblick sowieso nicht in der Stimmung, Beileidsbezeugungen entgegenzunehmen.
Zuerst begab ich mich ins Speisezimmer, wo ein Diener dampfende Platten auf der Anrichte arrangierte. Ich wies ihn an, ein Tablett vorzubereiten und mir in Arthurs Zimmer zu folgen. Als ich eintrat, erhob sich Mary mit einem überraschten Aufschrei von ihrem Stuhl.
»Haben Sie die Dienstboten zum Bleiben überredet?«
»Der Arbeitskampf ist beendet«, antwortete ich scherzhaft. »Guten Morgen, Schwester.«
Die Nonne nickte mir gütig zu. Ihr rundes, rosiges Gesicht sah so frisch aus, als ob sie acht Stunden lang geschlafen hätte, und ich entdeckte, obwohl sie in warme Gewänder gehüllt war, keinen einzigen Schweißtropfen auf ihrer Stirn. Während sie sich ihrem gut zubereiteten Frühstück widmete, untersuchte ich meinen Patienten.
Sofort erkannte ich, daß Marys Zuversicht begründet war. Das Gesicht des jungen Mannes war immer noch eingefallen, seine Augen fest geschlossen; allerdings war sein Puls bedeutend kräftiger geworden. »Aber er kann nicht weiter ohne Nahrung bleiben«, überlegte ich. »Vielleicht ein wenig Brühe. Ich werde Ahmed anweisen, ein Huhn zu kochen. Es gibt keine bessere Stärkung als Hühnersuppe.«
»Der Arzt hat Brandy empfohlen«, bemerkte Mary.
»Das ist das Allerschlechteste. Mary, gehen Sie in Ihr Zimmer und ruhen Sie sich aus. Sonst werden Sie auch noch krank, und was soll ich dann anfangen?«
Diese Begründung brachte den Widerspruch des Mädchens zum Verstummen. Nachdem sie mit einem letzten, sehnsuchtsvollen Blick auf das Gesicht ihres Liebsten das Zimmer verlassen hatte, setzte ich mich neben das Bett. »Schwester, ich muß offen mit Ihnen sprechen.«
Wieder nickte die Nonne und strahlte mich an. Aber sie sagte nichts.
»Sind Sie taub?« fragte ich in scharfem Ton. »Würden Sie mir bitte antworten?«
Die gute Frau runzelte die Stirn. »Quoi?« sagte sie.
»Du meine Güte«, seufzte ich. »Offenbar sprechen Sie nur Französisch. Sie werden uns eine große Hilfe sein, falls Arthur aufwacht und versucht, uns zu sagen, was geschehen ist. Aber gut, wir müssen das Beste daraus machen.«
Also erklärte ich die Situation so einfach wie möglich. Am überraschten Gesichtsausdruck der Nonne erkannte ich, daß sie ihren Patienten für das Opfer eines Unfalls gehalten hatte. Niemand hatte ihr gegenüber einen Mordversuch erwähnt, und ihr Erstaunen wurde von Bestürzung abgelöst, als ich sie darauf hinwies, daß der Mörder zurückkommen und einen zweiten Versuch wagen könnte.
»Alors«, schloß ich, »vous comprenez bien, ma soeur, daß der junge Mann nicht für einen Augenblick alleingelassen werden darf. Geben
Weitere Kostenlose Bücher