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Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes

Titel: Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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den er mit beiden Armen gegen seine kleine Kinderbrust drückte. Es war das Manuskript der Geschichte Ägyptens. Mit der ihm eigenen zielstrebigen Entschlossenheit schenkte er der Besucherin nur einen kurzen Blick, bevor er zu seinem Vater marschierte.
    »Du haft verfprochen, mir waf vorfulefen«, sagte er.
    »Das hab’ ich, das hab’ ich.« Emerson nahm den Ordner entgegen. »Ich komme gleich, Ramses, geh jetzt wieder zu deinem Kindermädchen.«
    »Nein«, erwiderte Ramses in aller Ruhe.
    »Was für ein kleiner Engel«, meinte Lady Baskerville.
    Ich wollte gerade diese Bezeichnung mit einer anderen, etwas treffenderen, kontern, als Ramses in süßlichem Ton sagte: »Und du bift eine hübfe Dame.«
    Die Dame, die daraufhin lächelte und leicht errötete, konnte kaum wissen, daß dieses offensichtliche Kompliment nichts anderes war als eine simple Tatsachenfeststellung, die nichts über Ramses’ Sympathie oder Antipathie verriet. Seine leicht gewölbte Lippe, als er sie ansah, und die Verwendung des Wortes »hübsch« anstatt »schön« (eine Unterscheidung, die Ramses sehr genau zu treffen verstand) deuteten eher darauf hin, daß er mit seinem feinen Gespür, das für ein Kind seines Alters so verblüffend ist und das er von mir geerbt hat, eine gewisse Abneigung gegen Lady Baskerville hegte. Falls man ein wenig nachhalf, würde er sie auch in aller Offenheit äußern.
    Leider ergriff sein Vater das Wort, noch bevor ich ein passendes Stichwort geben konnte, und befahl ihm, zu seinem Kindermädchen zurückzukehren. Daraufhin entschloß sich Ramses mit der kaltblütigen Berechnung, die ein bestimmender Zug seines Wesens ist, sich der Besucherin zu seinem Zweck zu bedienen. Er lief schnell zu ihr hin, steckte sich einen Finger in den Mund (eine Angewohnheit, die ich ihm schon frühzeitig abgewöhnt habe) und starrte sie an.
    »Fehr hübfe Dame. Ramfef bleibt bei dir.«
    »Du schlimmer Heuchler«, sagte ich. »Ins Bett mit dir!«
    »Er ist so entzückend«, murmelte Lady Baskerville. »Lieber kleiner Mann, die hübsche Dame muß jetzt gehen. Sie würde ja gerne bleiben, wenn sie könnte. Gib mir einen Kuß, bevor ich gehe.«
    Sie machte keine Anstalten, ihn auf den Schoß zu nehmen, sondern beugte sich hinunter und bot ihm eine sanfte weiße Wange dar. Ramses, sichtlich verärgert über seinen fehlgeschlagenen Versuch, einen Aufschub vor dem Zubettgehen zu gewinnen, drückte ihr einen laut schmatzenden Kuß auf die Wange, wodurch dort, wo zuvor Perlenpuder die Haut geglättet hatte, nun ein feuchter Fleck zu sehen war.
    »Ich gehe jetft«, verkündete Ramses, wobei man ihm den verletzten Stolz deutlich anmerkte. »Du kommft gleich, Papa. Du auch, Mama. Gib mir mein Buch.«
    Ohne Widerspruch überließ Emerson ihm sein Manuskript; Ramses trippelte hinaus. Dann erhob sich auch Lady Baskerville.
    »Ich muß ebenfalls aufbrechen«, meinte sie lächelnd. »Ich bitte aufrichtig um Verzeihung, daß ich Sie gestört habe.«
    »Überhaupt nicht, überhaupt nicht«, erwiderte Emerson. »Es tut mir nur leid, daß ich Ihnen nicht helfen konnte.«
    »Mir ebenfalls. Doch ich verstehe Sie jetzt. Nachdem ich Ihr entzückendes Kind gesehen und Ihre bezaubernde Gemahlin kennengelernt habe« – bei diesen Worten lächelte sie mich an, und ich lächelte zurück – »begreife ich, warum ein Mann solch angenehme häusliche Bindungen nicht wegen der Gefahren und Unbequemlichkeiten Ägyptens aufgeben möchte. Mein lieber Radcliffe, wie durch und durch häuslich Sie geworden sind! Wirklich ergötzlich! Sie sind ein richtiger Familienvater! Ich freue mich, daß Sie nach diesen abenteuerlichen Junggesellenjahren endlich Ihren Ruhepunkt gefunden haben. Ich bin Ihnen nicht im mindesten gram, daß Sie ablehnen. Natürlich glaubt niemand von uns an Verwünschungen oder ähnliche dumme Dinge, doch in Luxor ist sicherlich etwas Seltsames in Gange, und nur ein verwegener, kühner, freier Geist könnte es mit solchen Gefahren aufnehmen. Auf Wiedersehen, Radcliffe – Mrs. Emerson –, es war mir ein großes Vergnügen, Sie kennengelernt zu haben – nein, begleiten Sie mich bitte nicht hinaus, ich habe Sie schon genug belästigt.«
    Erstaunlich, wie sich ihr Auftreten während dieser Ansprache verändert hatte. Die sanfte, leise Stimme hatte einen lebhaften und entschiedenen Ton angenommen. Sie holte kaum Atem, sondern schoß die scharf formulierten Sätze wie eine Salve heraus. Emerson war rot angelaufen; er versuchte etwas zu sagen, bekam dazu aber

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