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Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes

Titel: Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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an steinerne Wächter erinnern, obgleich der bloße Gedanke, daß es an diesem wüsten Ort einmal Wasser gegeben haben soll, schwer vorstellbar ist. Die blassen Kalksteinwände und der kreidige Boden sind so leblos wie die Eiswüsten des Nordens.
    Nachdem wir im eigentlichen Tal angelangt waren, sahen wir, daß sich in der Nähe unseres Grabes eine große Menschenmenge versammelt hatte. Mein Blick blieb an einem Mann hängen, der durch seine ungewöhnliche Größe und durch seinen schweren Farageeyeh auffiel, das Übergewand, das hauptsächlich von Gelehrten getragen wird. Sein borstiger schwarzer Bart bauschte sich um das Gesicht; mit verschränkten Armen stand er abseits von den anderen. Die Leute, die sich anrempelten und schubsten, hielten respektvoll Abstand zu ihm. Sein grüner Turban gab ihn als Nachfahre des Propheten zu erkennen; seine strenge Miene und die stechenden, tiefliegenden Augen verrieten, daß es sich um eine starke und machtgebietende Persönlichkeit handelte.
    »Das ist der hiesige heilige Mann«, sagte Karl. »Ich glaube, ich muß Sie warnen, Herr Professor, daß er ein Gegner …«
    »Unnötig«, gab Emerson zurück. »Seien Sie still und bleiben Sie mir aus dem Weg.«
    Er stieg ab und wandte sich dem Imam zu. Eine Weile starrten sich die beiden schweigend an. Ich muß gestehen, daß ich selten zwei eindrucksvollere Männer gesehen habe. Es war, als stünden sie sich nicht als Einzelpersonen gegenüber, sondern als Symbole zweier Lebensweisen: Vergangenheit und Zukunft, alter Aberglaube und neuer Rationalismus.
    Doch ich schweife ab.
    Feierlich erhob der Imam die Hand. Seine vom Bart verdeckten Lippen teilten sich.
    Bevor er noch ein Wort sprechen konnte, sagte Emerson laut: »Sabâhkum bilkheir, Heiliger Mann. Seid Ihr gekommen, um das Werk zu segnen? Marhaba – willkommen.«
    Emerson behauptet – und damit hat er vielleicht recht –, alle religiösen Führer seien im Grunde ihres Herzens Schauspieler. Dieser Mann reagierte wie jeder erfahrene Mime, wenn man ihm die Schau stiehlt: Er zügelte den Zorn, der in seinen Augen aufloderte, und antwortete wie aus der Pistole geschossen: »Ich bringe keinen Segen, sondern eine Warnung. Wollt Ihr Gefahr laufen, den Fluch des Allmächtigen auf Euch zu lenken? Wollt Ihr die Toten entehren?«
    »Ich bin gekommen, um die Toten zu retten, nicht, um ihre Gräber zu entweihen«, erwiderte Emerson. »Jahrhundertelang haben die Männer aus Gurneh ihre bemitleidenswerten Gebeine im Sand verstreut. Was die Flüche betrifft, so fürchte ich weder Efreets noch Dämonen, denn der Gott, zu dem wir beide beten, hat uns Schutz vor allem Bösen zugesagt. Ich erflehe Seinen Segen für unser Werk der Rettung! Allâhu akhbar; lâ ilâha illa ’llâh!« Er riß sich den Hut vom Kopf, wandte sich gen Mekka und hob beide Hände in Gesichtshöhe, wie es für das Rezitieren des takbir vorgeschrieben ist.
    Ich konnte nur mit Mühe ein »Bravo!« unterdrücken. Ein Murmeln lief durch die Menge der Zuschauer. Emerson verharrte genau lang genug in seiner theatralischen Pose. Er stülpte sich den Hut auf den Kopf, noch ehe seinem überraschten Widersacher eine passende Antwort einfiel, und sagte energisch: »Nun denn, Heiliger Mann, Ihr werdet mich entschuldigen, wenn ich mich jetzt an die Arbeit mache.«
    Ohne weitere Umschweife schickte er sich an, die Stufen hinabzusteigen. Der Imam, der mit der Würde, die ihm sein Amt gebot, seine Niederlage anerkannte, machte auf den Absätzen kehrt und entfernte sich, gefolgt von einem Teil des Publikums. Die übrigen hockten sich auf den Boden, um uns bei der Arbeit zuzusehen – zweifellos in der Hoffnung, eine wie auch immer geartete Katastrophe mitzuerleben.
    Als ich Emerson gerade nachgehen wollte, entdeckte ich, daß die nunmehr zerstreute Menge den Blick auf eine Gestalt freigab, die sich bislang zwischen den Leuten verborgen hatte. Mr. O’Connells feuerrotes Haar war unter einem übermäßig großen Sonnenhut versteckt. Er kritzelte eifrig etwas in sein Notizbuch. Er bemerkte, daß ich ihn ansah, blickte hoch und zog seinen Hut.
    »Den allerschönsten guten Morgen, Mrs. Emerson. Ich hoffe, Sie sind nach dieser turbulenten Nacht nicht müde?«
    »Wie haben Sie davon erfahren?« wollte ich wissen. »Und was die … das heißt, was haben Sie überhaupt hier zu suchen?«
    »Nun, dies ist ein öffentlicher Platz, denke ich. Die Öffnung des Grabes ist eine wichtige Nachricht. Ihr Gatte hat mir bereits eine erstklassige Schlagzeile

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