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Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes

Titel: Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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»Was tat er?«
    »Er schlich durch die Schatten wie eine Schlange, ein Skorpion oder ein böser Geist! Er trug ein langes Leichenhemd aus Leinen, und sein Gesicht war mager und eingefallen, mit durchdringenden Augen und …«
    »Hör auf damit!« brüllte Emerson. Hassan schwieg und blickte sich mit großen Augen um, als ob er die Wirkung seiner Gespenstergeschichte auf sein Publikum überprüfen wollte.
    »Der abergläubische Wicht hat geträumt«, sagte Emerson zu Lady Baskerville. »Gehen Sie wieder zu Bett. Ich kümmere mich darum, daß er …«
    Wie viele der Männer verstand Hassan mehr Englisch, als er sprach. »Nein!« rief er aus. »Es war kein Traum; ich schwöre es. Ich habe in den Hügeln die Schakale heulen hören, ich habe gesehen, wie die Grashalme unter seinen Füßen einknickten. Er ging zu einem der Fenster, Vater der Flüche – zu einem der Fenster hier.«
    Er wies auf die Seite des Hauses, wo alle unsere Zimmer lagen.
    Karl stieß ein Grunzen aus. Lady Baskervilles Gesicht nahm eine graue Färbung an. Aber Milvertons Reaktion fiel am dramatischsten aus. Mit einem seltsamen, leisen Seufzer knickte er in den Knien ein und stürzte besinnungslos zu Boden.

    »Es hat nichts zu bedeuten«, sagte ich einige Zeit später, als Emerson und ich uns wieder anschickten, zu Bett zu gehen. »Ich habe dir gesagt, daß der junge Mann noch nicht wieder völlig auf dem Damm ist. Der Schrecken und die Aufregung waren zu viel für ihn.«
    Emerson stand auf einem Stuhl und versuchte, das Moskitonetz wieder anzubringen. Ärgerlich hatte er meinen Vorschlag zurückgewiesen, einen der Diener zu rufen, damit dieser das übernahm.
    »Du überraschst mich, Amelia«, knurrte er. »Ich war mir sicher, daß du diesen Ohnmachtsanfall als Schuldgeständnis werten würdest.«
    »Rede keinen Unsinn. Armadale ist der Mörder; das behaupte ich schon die ganze Zeit. Jetzt wissen wir, daß er noch lebt und sich hier in der Gegend herumtreibt.«
    »Wir wissen nichts dergleichen. Hassan wäre durchaus in der Lage, sich den Geist von Ramses einzubilden; von allen zwölf Ramsessen gleichzeitig. Vergiß das Ganze und komm ins Bett.«
    Er kletterte vom Stuhl herunter. Zu meinem Erstaunen stellte ich fest, daß er es geschafft hatte, das Netz anzubringen. Emerson überrascht mich immer wieder.

Kapitel 6

    Trotz unserer turbulenten Nacht waren wir bereits vor Tagesanbruch auf den Beinen. Es war ein herrlicher Morgen. Diese Luft einzuatmen war, wie kühlen Weißwein zu trinken. Als sich die Sonne majestätisch über den Horizont erhob, leuchteten im Westen die Felsen in rosigem Rot. Lerchen begrüßten mit ihrem Gesang die Morgendämmerung, und alles sah aus wie frisch gewaschen – ein äußerst trügerischer Eindruck, wie ich hinzufügen möchte, da die Reinlichkeit nicht zu den hervorragenden Wesensmerkmalen der Bewohner Oberägyptens zählt.
    Bei Sonnenaufgang ritten wir durch wogende Gerstenfelder und blühende Gemüsepflanzungen über die Ebene. Wir mußten etliche Gerätschaften mitnehmen, deshalb wählten wir diesen und nicht den kürzeren Weg, der schwieriger war und über die Felshänge führte. Zerlumpt, aber in fröhlicher Stimmung, folgten uns wie eine Prozession die uns treuergebenen Männer aus Aziyeh. Ich fühlte mich wie der General einer kleinen Armee; um meinem überschäumenden Gefühl ein Ventil zu verschaffen, wandte ich mich im Sattel um, hob meinen Arm und rief »Huzzah!«, worauf unsere Truppe mit einem Schrei der Begeisterung und Emerson mit einem wütend hervorgestoßenen: »Mach’ dich doch nicht lächerlich, Amelia« antwortete.
    Abdullah marschierte an der Spitze seiner Männer; sein kraftvoller Gang und sein scharfgeschnittenes, gebräuntes Gesicht straften sein Alter Lügen. Uns begegneten Frauen in langen braunen Galabiyas mit nackten Kindern im Arm, Esel, die fast unter ihrer Reisiglast verschwanden, hochmütig dreinblickende Kamele mit ihren Treibern, Bauern mit Rechen und Hacken auf dem Weg zu ihren Feldern. Abdullah, der eine schöne Stimme hat, hob zu einem Lied an. Die übrigen Männer fielen ein, und ich hörte, daß ihr Gesang einen trotzigen Ton hatte. Die Passanten tuschelten miteinander und stießen sich gegenseitig an. Obwohl nichts auf Feindseligkeit hindeutete, war ich froh, als wir das fruchtbare Land hinter uns hatten und zu der engen Öffnung in den Felswänden kamen. Wind und Wasser hatten die hochaufragenden Felsen, die diesen Eingang bewachen, so geformt, daß sie auf merkwürdige Weise

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