Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes
ausstreckte. »Diese Methode funktioniert nicht, Emerson. Und zieh dir doch etwas über. Wenn du meinst, der Anblick deines, wie ich zugebe, muskulösen und wohlgeformten Körpers könnte mich von meiner selbstverständlichen Pflicht abbringen …«
Dieses Mal war es nicht Emerson, der mich unterbrach, obgleich er sich mir unverkennbar in dieser Absicht näherte. Ein Klopfen an der Tür bewirkte, daß er hastig nach seiner Hose griff; eine Stimme verkündete, Lady Baskerville wünsche uns zu sehen.
Während ich mich wusch und umzog, hatten sich die anderen schon im Salon versammelt. Die Atmosphäre dort erinnerte weniger an eine gesellschaftliche Zusammenkunft als an einen Kriegsrat. Erfreut stellte ich fest, daß Madame Berengeria wieder in einen Zustand der Benommenheit versunken war, und der starke Brandydunst, der um sie schwebte, überraschte mich nicht im geringsten. Schläfrig lächelte sie Emerson zu, war aber ansonsten nicht fähig, zu sprechen oder sich zu bewegen.
Da ihn der Zusammenbruch von Madame von seiner größten Sorge befreit hatte, trug Emerson seine Absichten und Pläne so entschieden vor wie gewöhnlich. Lady Baskerville stieß einen Klagelaut aus.
»Nein, Radcliffe, Sie dürfen sich nicht in Gefahr begeben. Lieber soll das ganze Grab verwüstet werden, als daß Ihnen auch nur ein Haar gekrümmt wird.«
Diese idiotische Äußerung, die mir einen scharfen Tadel eingetragen hätte, zauberte einen verzückten Ausdruck auf Emersons Gesicht. Er tätschelte die weiße Hand, die sich an seinen Ärmel klammerte.
»Es besteht nicht die geringste Gefahr, das versichere ich Ihnen.«
»Da haben Sie vermutlich recht«, meinte Vandergelt, dem diese Zurschaustellung von Besorgnis durch die Dame gar nicht gefallen hatte. »Wie dem auch sei, ich glaube, ich werde einfach mit Ihnen kommen, Professor. Zwei Pistolen sind besser als eine, und ein Mann fühlt sich sicherer, wenn ihm ein Kumpel den Rücken deckt.«
Doch bei diesen Worten schrie Lady Baskerville noch ängstlicher auf. Ob sie sie denn der Gnade dieser gespenstischen Gestalt ausliefern wollten, die bereits einen Mann getötet und einen Mordanschlag auf Emerson verübt hatte? Vandergelt, an den sie sich nunmehr klammerte, schien für ihr Laienspiel ebenso empfänglich zu sein wie mein Gatte.
»Sie hat recht, denke ich«, sagte er in besorgtem Ton. »Wir können die Damen nicht ohne Schutz zurücklassen.«
Daraufhin erklärten sowohl Milverton als auch Karl ihre Bereitschaft, zu Diensten zu sein. Schließlich wurde entschieden, daß Karl Emerson bei der Bewachung des Grabes unterstützen sollte. Emerson brannte so sehr darauf, endlich aufzubrechen, daß er nicht einmal zu Abend essen wollte. Also wurde ein Picknickkorb zurechtgemacht, und die beiden Männer bereiteten sich auf den Abmarsch vor. Obwohl Emerson sich bemühte, mir aus dem Weg zu gehen, gelang es mir, ihn für einen Augenblick beiseite zu nehmen.
»Emerson, es ist unbedingt notwendig, daß ich mit Mr. Milverton spreche, solange ihn das schlechte Gewissen plagt. Vielleicht beschließt er schon morgen, alles eiskalt abzuleugnen.«
»Amelia, es besteht nicht das geringste Anzeichen dafür, daß Milverton ein Geständnis ablegen will. Entweder ist diese Zusammenkunft eine Falle – und falls das zutrifft, wäre es unendlich dumm von dir, hineinzutappen –, oder es handelt sich, was ich eher vermute, um ein Gespinst deiner blühenden Phantasie. Jedenfalls verbiete ich dir, heute nacht das Haus zu verlassen.«
Sein ernster, ruhiger Tonfall beeindruckte mich nachhaltig. Dennoch hätte ich etwas entgegnet, wenn er mich nicht plötzlich in die Arme geschlossen und mich fest an sich gedrückt hätte, ohne auf Mary zu achten, die auf dem Weg zu ihrem Zimmer den Hof überquerte.
»Tu nur einmal in deinem Leben, was ich dir sage, Peabody! Wenn dir irgend etwas geschieht, bringe ich dich um!«
Nach einer leidenschaftlichen Umarmung, die mir einen Augenblick lang den Atem raubte, ging er. Kurz darauf hörte ich, wie er Karl zurief, er solle sich beeilen.
Ich lehnte mich an die Mauer, hielt mir die gequetschten Rippen und versuchte, die Gefühle in den Griff zu bekommen, die sein zärtlicher Abschied in mir aufgewühlt hatte. Eine Hand berührte mich sanft an der Schulter. Mary stand neben mir.
»Machen Sie sich um ihn keine Sorgen, Mrs. Emerson. Karl wird auf ihn achten; er verehrt den Professor sehr.«
»Ich mache mir überhaupt keine Sorgen, danke.« Unauffällig führte ich mir mein
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