Amelia Peabody 03: Der Mumienschrein
wenig leiser, wenn es möglich ist.«
»Es ist absolut nicht möglich«, schrie Emerson und versetzte einem unschuldigen Schemel einen Tritt, daß er quer durch das Zimmer flog. »Dieser Mistkerl von de Morgan … dieser … dieser …«
»Er hat dir die Genehmigung für Dahschûr nicht gegeben.«
Bastet machte einen vorsichtigen Versuch, unter dem Bett hervorzukommen, zog sich aber augenblicklich wieder zurück.
»Er will in diesem Jahr selbst dort arbeiten«, sagte Emerson mit erstickender Stimme. »Er hatte die Frechheit, mir zu sagen, daß ich zu spät um die Genehmigung nachgesucht hätte.«
Meine Lippen bewegten sich, doch noch bevor ich ein Wort sagen konnte, schrie Emerson mich an: »Wenn du jetzt >siehst du!< sagst, Peabody, dann trete ich das Bett kurz und klein. Ich schwöre es dir!«
»Wenn dir das hilft, dann tue es, Emerson. Deine Unterstellung schmerzt mich sehr, denn ich habe in all den Jahren diese Redewendung niemals gebraucht …«
»Den Teufel hast du«, schimpfte Emerson.
»Den Teufel haft du«, echote Ramses. »Erinnerft du dich an die Zugfahrt von Alexandria und an den Tag vorher, alf Papa …«
»Ramses!« wandte Emerson sich an seinen aufsässigen Nachkommen. »Du sollst nicht mit Mama in diesem Ton sprechen. Entschuldige dich auf der Stelle!«
»Ich entfuldige mich«, sagte Ramses. »Aber ich verftehe nicht, waf an diefer Redewendung fo flimm fein foll. Im Gegenteil, ef gibt nur wenige, die in ähnlich effektvoller Weife gebraucht …«
»Genug, mein Sohn!«
»Ja, Papa.«
Die Stille nach dem Sturm konnte nicht stiller gewesen sein. Emerson setzte sich auf das Bett und rieb sich die Augenbrauen. Sein Gesicht hatte wieder die normale Färbung, und endlich lächelte er sogar. »Habt ihr mit dem Mittagessen auf mich gewartet? Das war sehr lieb von euch. Los, laßt uns hinuntergehen.«
»Wir müssen aber noch darüber reden, Emerson.«
»Natürlich, Amelia. Das können wir auch beim Essen.«
»Aber nicht, wenn du dich wieder so aufführst. Das Shepheard’s ist ein anständiges Hotel, in dem man nicht herumschreit und mit Geschirr wirft.«
»Meine Liebe, ich frage mich wieder einmal, wie du überhaupt auf solche Ideen kommst!« Emerson war beleidigt. »Ich verliere doch niemals die Beherrschung und bin ein überaus friedlicher Zeitgenosse. Ah, Bastet ist auch da. Sieh an, welch hübsches Halsband sie hat! Aber was macht das arme Tier denn unter dem Bett?«
Bastet lehnte die Einladung zum Mittagessen ab, und so machten wir drei uns auf den Weg. Ich fühlte, wie schrecklich enttäuscht Emerson war, denn mir ging es nicht anders. Wenn er nur auf mich gehört hätte! Aber daran durfte ich ihn keinesfalls erinnern. Nachdem wir unsere Plätze eingenommen und bestellt hatten, sagte ich: »Vielleicht kann ich noch einmal mit Mr. de Morgan sprechen … Schließlich ist er Franzose, und sein Charme …«
»Ist nur zu gut bekannt, liebe Amelia«, brummte Emerson. »Du wirst nicht hingehen! Meinst du, ich habe vergessen, wie er sich benommen hat, als wir ihn zuletzt trafen?«
Sein unverzeihliches Verhalten hatte darin bestanden, mir die Hand zu küssen und mir ein paar wunderschöne Komplimente zu machen.
»Waf hat er denn getan?« fragte Ramses interessiert.
»Das ist doch nicht so wichtig«, sagte Emerson. »Es genügt, daß er Franzose ist. Franzosen ist weder in bezug auf Frauen noch auf Antiquitäten zu trauen!«
»Nun gut«, sagte ich, ohne auf das Thema einzugehen, »wenn du es nicht möchtest, werde ich selbstverständlich nicht hingehen. Aber was tun wir jetzt? Hat er dir einen anderen Platz genehmigt?«
Emersons Wangen färbten sich drohend. »Bitte, nimm dich zusammen«, flehte ich. »Atme tief und ruhig, Emerson! So schlimm kann es gar nicht sein!«
»Doch, Peabody, sogar schlimmer! Kannst du dir vorstellen, wie er mit seinem affektierten Grinsen sagt: >Sie wünschen also eine Pyramide! Nun gut, Sie sollen sie haben. Was halten Sie von Mazghunah?<«
»Mazghunah?« wiederholte ich. »Emerson, ich fürchte, ich kenne diesen Namen überhaupt nicht. Wo liegt es?«
Dieses Eingeständnis meiner Unwissenheit schien Emerson ein wenig zu besänftigen, denn er hatte nur äußerst selten Gelegenheit, mir eine Lektion in Ägyptologie zu erteilen. Mazghunah lag nur wenige Kilometer südlich von Dahschûr. Diese beiden Orte und Gizeh und Sakkâra waren die Totenstädte von Memphis. Alle lagen nicht allzuweit von Kairo entfernt, und alle wiesen Pyramidengräber auf. In Mazghunah war
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