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Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx

Titel: Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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gelegt, und Nemos Gesicht lief bereits dunkel an.
    In meiner Erregung vergaß ich mich und brüllte einen Satz, den ich von einem befreundeten Amerikaner aufgeschnappt hatte: »Hände hoch, du Halunke!« Ich bezweifle, daß mich diese Mißgeburt verstand, aber mein Tonfall war wohl aufgebracht genug, um ihn aufmerksam werden zu lassen, und als er schließlich in den Lauf meiner Pistole blickte, hatte ich den gewünschten Effekt erzielt.
    Langsam erhob er sich von Nemos gekrümmter Gestalt. Die kämpferische Wut war aus seinem Gesicht gewichen, und er wirkte jetzt andächtig-ergeben, ebenso charakterlos wie die Pappmachémasken der Mumien. Er wirkte in keinster Weise außergewöhnlich, sondern in seinem verschossenen Baumwollgewand wie Tausende seiner Landsleute.
    Nemo rollte sich zur Seite und erhob sich schwankend. Er atmete schwer, im Gegensatz zu seinem Gegner, dessen Brustkorb sich so ruhig hob und senkte, als spräche er ein Gebet. Rote Striemen überzogen Nemos Gesicht, und ein frischer Blutfleck auf seinem zerrissenen Ärmel vermittelte mir, daß seine frühere Wunde aufgrund der Brutalität des Kampfes aufgebrochen war. Er schoß auf mich zu, vermied es jedoch, ins Schußfeld zu geraten. »Großartig, Mrs. Emerson, ganz hervorragend«, japste er. »Warum geben Sie mir die Pistole nicht einfach?«
    »Soll ich riskieren, daß dieser Kerl entkommt, während wir den Austausch vornehmen? Nein, Mr. Nemo. Sie stellen vielleicht meine Bereitschaft in Frage, auf einen Menschen zu schießen – und meine Fähigkeit, ihn im Fall des Falles auch zu treffen –, aber ich schätze, er zweifelt keineswegs daran. Sie wissen jetzt, wer ich bin, mein Freund? Sie haben einen Fehler gemacht. Ich bin nicht die Dame, für die Sie mich gehalten haben, sondern die Sitt Hakim, Gattin des berühmten Zauberers Emerson, Vater der Flüche, und im Umgang mit Unholden ebenso gefährlich wie Emerson selbst. Meine Blicke sind so scharf wie die der über uns kreisenden Geier, und genau wie sie liege ich auf der Lauer und warte auf Verbrecher.«
    Natürlich hatte ich den Mann in Arabisch angesprochen. Diese Sprache neigt zu prahlerischer Selbstherrlichkeit, einer Ausdrucksweise, die die Ägypter tatsächlich sehr bewundern. Die kurze Rede zeigte Wirkung. In der gleichen Sprache erwiderte der Mann leise: »Ich kenne Sie, Sitt.«
    »Dann wissen Sie, daß ich nicht zögern würde, diese Waffe auch zu gebrauchen – nicht zum Töten, aber zum Verwunden. Ich will Sie lebendig, mein Freund – lebendig und bereit zum Reden.« Unfähig, meine Erregung noch länger zu beherrschen, fügte ich in englischer Sprache hinzu: »Gütiger Himmel, Nemo, begreifen Sie, wer dieser Mann ist? Er ist der erste unter den Verbündeten des Meisterverbrechers, den ich jetzt geschnappt habe. Durch ihn kommen wir vielleicht an seinen abscheulichen Herrn heran. Können Sie sich ihm – aber bitte vorsichtig – nähern und seine Arme mit Ihrem Turban fesseln? Sind Sie dafür nicht zu schwer verletzt?«
    »Nein, natürlich nicht«, sagte Nemo.
    Der Mann hob seine Hand. Diese Geste reflektierte soviel Würde, daß Nemo innehielt. Leise sagte der Ägypter: »Ich habe meinem Herrn gegenüber versagt. Es gibt nur ein Schicksal für die, die versagen. Aber ich schäme mich nicht, daß ich der Sitt Hakim unterliege, da sie keineswegs nur eine schwache Frau ist, sondern, wie mir gesagt wurde, das Herz eines Mannes besitzt. Ich beglückwünsche Sie, Sitt.« Und er deutete mit seiner Hand von der Brust zu den Brauen und dann zu seinen Lippen, die respektvolle Geste seines Volkes.
    Ich wollte gerade auf dieses liebenswürdige Kompliment reagieren, als eine grauenvolle Veränderung das Gesicht des Mannes zeichnete. Seine Lippen verzogen sich zu einem scheußlichen Grinsen, und er verdrehte die Augen, bis nur noch das Weiße der Augäpfel sichtbar war. Er griff sich an die Gurgel. Dann stürzte er rücklings zur Erde und blieb reglos liegen.
    Nemo eilte zu ihm. »Es ist zwecklos«, sagte ich und senkte meine Pistole. »Er war bereits tot, bevor er den Boden berührte. Blausäure, befürchte ich.«
    »Sie haben recht. Er riecht leicht nach Bittermandeln.« Nemo richtete sich auf und war kreidebleich. »Was sind das für Menschen? Er nahm lieber Gift als …«
    »… zuzulassen, daß man ihn ausfragte. Verflucht! Ich hätte ihn direkt fesseln sollen. Nun, beim nächsten Mal weiß ich besser Bescheid.«
    »Beim nächsten Mal?« Nemo fuhr sich mit zitternder Hand an seine Schläfe. Sein

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