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Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Titel: Amelia Peabody 05: Der Sarkophag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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übernatürlichen Entsetzens gelegt. Die Realität war nicht wie mein Traum, sie entsprach eher einer Parodie auf ein heidnisches Ritual. Und diese setzte sich fort: Statt einer feierlichen Prozession mit entzündeten Fackeln und getragenem Gesang traten die beiden Männer lediglich durch eine Tür unter der Brüstung, und einer von ihnen brüllte: »Was zum Teufel soll das hier? Laß die Flasche verschwinden, und du – glätte gefälligst das Altartuch – los, auf eure Plätze!«
    Ich mußte mir das Lachen verkneifen. Er klang wie das männliche Gegenstück zu Mrs. Watson, die ihre Untergebenen der Unordnung bezichtigt. Welche lächerliche Farce sollte sich dort unten abspielen? Vielleicht mußte ich mich lediglich demaskieren, um der Horde einen gewaltigen Schrecken einzujagen.
    Meine Belustigung war nur von kurzer Dauer. Die Männer hatten Haltung angenommen und befolgten Lord Liverpools Befehle; und ich bemerkte, daß der ibisköpfige Thot erneut in meine Richtung kam. Ein Ausweichmanöver war unmöglich, da ich dann geradewegs in den Lichtkegel der Öllampe zu meiner Linken geraten wäre.
    Der Mann war ein Hüne. Die Maske ließ ihn noch größer erscheinen; er beugte sich über mich. Ich tastete nach dem Griff meines Schirms. Aber er sprach weder, noch machte er eine Drohgebärde. Er blieb neben mir stehen und wandte sein Gesicht dem Altar zu.
    Während ich Seine Lordschaft beobachtete, verging mir der Spaß endgültig. Das war keine Parodie. Es war grauenvoll und tragischer Ernst. Mit erhobenen Händen wandte er sich an die Statue. Mir standen die Haare zu Berge, als ich die Stimme wiedererkannte, die schon einmal die mächtige Isis angerufen hatte.
    Plötzlich entfuhr es ihm laut: »Er kommt! Er kommt! Der Erlauchte kommt!« Ehrfürchtig ließ er sich zu Boden sinken, blickte die Gottheit jedoch nicht an.
    Maskiert und in eine weiße Robe gehüllt, das Leopardenfell des Seth -Priesters um die Schultern geschlungen, trat er aus dem Schatten unter der Balkonbrüstung.
    Ich hielt den Atem an. Das war der Mann. Nicht der bedauernswerte junge Graf, der lediglich sein leichtgläubiger Handlanger war und der gesagt hatte, daß er alles, absolut alles tun würde, um von seiner tödlichen Krankheit geheilt zu werden. Wie hinterhältig hatte dieses Individuum doch die Todesängste des Jugendlichen ausgenutzt – eines jungen Mannes, der aufgrund seiner Krankheit bereits wahnsinnig wurde, weil diese seine Hirnsubstanz zerstörte.
    Der Halunke besaß Ausstrahlung, das mußte man ihm lassen. Selbst die hartgesottenen Helfershelfer reagierten und beobachteten in ehrfürchtigem Schweigen den schaurigen Austausch zwischen dem jungen Grafen und seinem Mentor. Sie sprachen Ägyptisch – oder, was Liverpool anbelangte, versuchten es zumindest. Die Stimme des anderen Mannes, die aufgrund der Maske zwar gräßlich verzerrt klang, wirkte langsam und getragen.
    Dann blickte er erneut in die sich hinter ihm ausbreitende Dunkelheit und klatschte dreimal in die Hände.
    Unter klagendem Singsang kamen sie herein. Mit Ausnahme ihrer Lendenschurze waren sie nackt, und ihre dunklen Körper glänzten wie Bronze. Die Gestalt, die auf der von ihnen hereingebrachten Trage ruhte, war von Kopf bis Fuß mit weißem Gazestoff bedeckt.
    Ich hätte den Aufschrei nicht unterdrücken können, der meine schmerzenden Lungen zu zerbersten schien. Doch als ich mit geöffneten Lippen vorpreschen wollte, umklammerte mich ein Arm mit stahlhartem Griff, und eine Hand legte sich auf meinen Mund.
    »Um Gottes willen, Peabody, nicht schreien!« zischte eine Stimme.
    Ich glaube, ich wäre zu Boden gesunken, wenn mich nicht sein starker Arm festgehalten hätte. Ich löste seine Finger von meinen Lippen. »Emerson«, hauchte ich, »Emerson …«
    »Pst«, zischte Thot, der Ibisköpfige.
    Die Aufforderung war nicht erforderlich; Freude und Erleichterung, aber auch aufkeimender Zorn verschlugen mir die Stimme. Doch wenn es sich bei der Person auf der Trage nicht um Emerson handelte, um wen dann? Ich kannte die Antwort, noch bevor die Träger sie vorsichtig auf dem langen Altar absetzten und der Seth -Priester langsam die Schleier lüftete.
    Interessiertes und anerkennendes Gemurmel wurde laut, als die schlaffe Gestalt des bedauernswerten Mädchens vor den unverhohlenen Blicken der Männer enthüllt wurde. Ihre Robe entsprach einer erstaunlich exakten Kopie der von altägyptischen Frauen getragenen; allerdings handelte es sich nicht um das elegant plissierte

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