Amelia Peabody 05: Der Sarkophag
Irgend jemand wird uns sicherlich vorher finden, selbst wenn wir nicht in der Lage sind, uns zu befreien.«
Erneutes, brütendes Schweigen. Ich wollte schon einen kleinen Scherz über Pessimisten zum besten geben und die Notwendigkeit, nie den Mut zu verlieren, als ich etwas Merkwürdiges feststellte. Irgend etwas Kaltes und Glitschiges glitt über meinen Fuß. Es gibt nur wenige Gefahren, denen ich nicht gleichmütig gegenüberstehe; aber ich verabscheue Reptilien.
»Oh, Emerson, ich befürchte, hier drin ist eine Schlange«, sagte ich.
»Das ist keine Schlange, Peabody«, erwiderte Emerson tonlos. »Es ist Wasser. Verflucht, Peabody, haben wir nicht schon genug Probleme, ohne dem Mörder auch noch Vorschläge zu unterbreiten? Soll er doch seine eigene Mordmethode entwickeln.«
»Also, Emerson, das ist Unsinn. Es war lediglich ein unglücklicher Zufall. Was vermutest du, woher das Wasser stammt? Zünde doch bitte noch ein weiteres Streichholz an, ja?«
»Sie sind fast verbraucht, Peabody, ebenso wie die Seiten aus Inspektor Cuffs Notizbuch«, erwiderte Emerson ruhig. »Wir brauchten mehrere, als wir die Zelle und das Fenster inspizierten, falls du dich erinnerst. Aber ich denke, dieses Rohr, das du für ein Abwasserrohr gehalten hast –«
»Ja, sicherlich. Dann spar dir die Streichhölzer, Emerson.«
Das Unwetter war vorübergezogen, und der Mond leuchtete am Himmel; sein schwacher Schein bildete einen winzigen Fleck auf dem Boden, und als ich dorthin blickte, bemerkte ich, daß das Wasserrinnsal anschwoll. Es wirkte sehr hübsch und silbrig und harmlos.
»Ich frage mich, wie lange es dauern wird, bis der Raum überflutet ist«, sinnierte ich.
»Es ist mir egal, wie lange es dauert, bis der Raum überschwemmt ist«, entgegnete Emerson aufgebracht. »Hier, Cuff, lassen Sie es mich noch einmal mit den Gitterstäben versuchen. Wenn Sie mich auf Ihre Schultern nehmen?«
»Bleib ruhig, Emerson, ich bitte dich«, warf ich ein. »Das ist wirklich eine unsinnige Methode, um jemanden umzubringen, und das weißt du auch. Auch wenn die Tür fest schließt, ist sie nicht dicht, und wenn das Wasser in Fensterhöhe steigt, wird es nach draußen laufen.«
»Aber nicht so schnell, wie es in die Zelle dringt«, erwiderte Emerson; und tatsächlich schien er recht zu behalten, denn das eisige Wasser umspülte bereits meine Knöchel. »Und da es aus dem Fluß stammt, steht es unbegrenzt zur Verfügung.«
»Ja, vermutlich. In diesem Fall … Inspektor, drehen Sie mir bitte den Rücken zu?«
»Ich weiß nicht, was Sie vorhaben, Ma’am«, entgegnete Cuff sanft, »trotzdem versichere ich Ihnen, daß ich nicht die Hand vor Augen sehen kann. Sie könnten sich – äh – völlig entblößen.«
»Genau das habe ich vor«, erwiderte ich. »Aber trotz Ihres Einwurfs würde ich es vorziehen, wenn Sie sich umdrehten. Als Geste, sozusagen.«
Emerson watete an meine Seite. »Peabody, was zum Teufel – du hast doch nicht zufällig noch einen weiteren Werkzeuggürtel in der Hose versteckt, oder?«
»Nein, Emerson, aber ich habe etwas, was vielleicht genauso nützlich ist. Die Idee kam mir, nachdem … nachdem …«
»Keine falsche Scham, Peabody«, knurrte Emerson. »Nachdem dieser Bas – … dieser Bursche Sethos dich entführt hatte.«
»Ja, genau. Mein Gürtel und die daran befestigten Utensilien sind einfach zu auffällig, um verborgen zu bleiben, deshalb dachte ich mir, vielleicht … Emerson, bitte hör auf, an mir herumzufummeln. Du hast deine Hand …«
»Was zur Hölle machst du da?« wollte Emerson wissen.
»Wir sind nicht allein, Emerson«, erinnerte ich ihn. »Hier, halte das fest, und paß auf, daß es nicht naß wird. Und das.«
»Peabody, was ist … gütiger Himmel! Meine Liebe, trägst du etwa ein Mieder?«
»Emerson, bitte!«
»Ich dachte schon, du fühltest dich heute abend ziemlich steif an«, entfuhr es Emerson. »Aber du hast mir doch geschworen, du würdest niemals eines dieser verfluchten Gebilde anziehen!«
»Ich halte das nicht aus«, entfuhr es Inspektor Cuff plötzlich. »Mrs. Emerson, ich schätze und bewundere Sie mehr als alle mir bekannten Damen, aber wenn Sie mir nicht erklären, weshalb Sie sich – äh – entkleiden, verliere ich möglicherweise den Verstand.«
»Das ist ganz einfach«, erklärte ich. »Die meisten Frauen tragen Mieder; sie werden nicht für mögliche Waffen gehalten. Aber was, meine Herren, hält ein Korsett in Form?«
»Zum Teufel, wenn ich das wüßte«, sagte
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