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Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Titel: Amelia Peabody 05: Der Sarkophag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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einzige Hinweis auf den Sonnenuntergang; und als wir den beiden Männern nachblickten, die in westliche Richtung gingen, der Hagere auf seinen Freund gestützt, schienen sie geradewegs auf den Vorhof der Hölle zuzusteuern, die zumindest einen der beiden erwartete.
    »Er ist opiumsüchtig, Emerson«, murmelte ich. »Der arme Kerl; die Droge nimmt Einfluß auf seinen Verstand, er wirkt vollkommen verwirrt.«
    »Nicht Opium, sondern seine Krankheit zerfrißt ihm das Gehirn, Peabody. Das läßt einen schon fast wieder an einen Gott glauben, der Rache und Vergeltung übt. Welche Sünden die Jungen auch immer begehen – und sie sind zu Unglaublichem fähig –, einen Tod wie den bevorstehenden haben sie nicht verdient.« Doch dann siegte der unbezwingbare Optimismus meines geliebten Emerson; mit einem leichten Kopfschütteln bemerkte er: »Was soll’s, tagtäglich sind bessere Menschen als dieser kränkelnde Adelsauswuchs einem schlimmeren Schicksal ausgeliefert. Ich brauche meinen Tee, Peabody. Vielleicht auch etwas Stärkeres.«
    Da es bereits spät war, stimmte ich Emersons Vorschlag zu, eine Droschke zu nehmen. Besagte Vehikel üben aufgrund ihres strengen Geruchs und der knarrenden Ledersitze eine seltsame Faszination auf meinen Gatten aus. Vielleicht ist es auch der eintönige Klang des Hufschlags oder das angenehme Gefühl der persönlichen Intimsphäre. Wie auch immer, wir hatten kaum Platz genommen, als er sich zu vorsichtigen Annäherungsversuchen hinreißen ließ und ich ihn nur mit Mühe überzeugen konnte, diese so lange aufzuschieben, bis er den Bart abgenommen hatte, der noch rauher und unangenehmer war als ein echter. Obwohl er mir gegenüber so aufmerksam und höflich war wie stets, spürte ich doch seine unterschwellige Verärgerung, und ich versuchte, ihn mit einer scherzhaften Bemerkung aufzuheitern.
    »Mir scheint, mein geliebter Emerson, daß sich der aristokratische Zirkel letztlich auch noch in diesen Fall einmischt.«
    »Ja, zum Teufel«, grummelte Emerson. »Ich hatte mich zumindest vor den Journalisten in Sicherheit geglaubt. Tu deinem schwer gebeutelten Gatten einen Gefallen, Peabody. Nimm die junge Dame auf gar keinen Fall unter deine Fittiche. Ich habe mich Schrecken und Gefahren ausgesetzt, aber einen weiteren deiner sentimentalen Zusammenführungsversuche schmachtender junger Liebestoller kann ich nicht mehr ertragen.«
    »Ich bezweifle, daß dieser Ernstfall eintritt, Emerson«, erwiderte ich besänftigend. »Miss Minton scheint mir keinerlei romantische Interessen zu hegen. Es sei denn, Seine Lordschaft –«
    »Gütiger Himmel, Peabody, sie hat ihm ins Gesicht geschlagen!«
    »In diesen Dingen fehlt dir die Erfahrung, Emerson. Solche Demonstrationen dienen häufig als Indikator für Zuneigung. Falls du dich noch erinnern kannst, einige unserer früheren –«
    »Ich will mich nicht daran erinnern, Peabody.«
    »Dann ist da noch der junge Wilson, mit dem sie neulich abends unterwegs war«, fuhr ich fort. »Du sagtest doch, daß du ihn kennst?«
    »Vermutlich entpuppt er sich als der Prince of Wales«, meinte Emerson düster. »Bei den Mitgliedern der königlichen Familie hört der Spaß auf, Peabody. Die übrige Aristokratie ist schon schlimm genug.«
    Als die Droschke vor dem Haus hielt, half mir Emerson hinaus und wandte sich dann zur Bezahlung dem Fahrer zu. Ein feiner, mit Ruß durchsetzter Nieselregen verdunkelte den Abendhimmel, weshalb ich den unförmigen Gegenstand am Tor zunächst für einen Müllsack hielt. Schließlich bewegte er sich, und ich begriff, daß es sich um einen dieser armen Vagabunden handelte, die auf Londons Straßen – ihrem einzigen Zuhause – häufig anzutreffen sind. Normalerweise hielten die diensthabenden Polizeibeamten diese Unglückseligen vom St. James’s Square und anderen noblen Wohngegenden fern. Offenbar war ihnen dieser entgangen.
    Als wir uns dem Tor näherten, sprang die Gestalt auf und streckte bettelnd ihre Hand aus. Voller Mitleid bemerkte ich: »Es ist nur ein Kind, Emerson. Können wir nicht –«
    Emerson wühlte bereits in seiner Jackentasche. »Wir können sie nicht alle bei uns aufnehmen, Amelia«, brummte er – es war nicht sein übliches Gebrumme, sondern eine von Mitgefühl und hilfloser Wut geprägte, sanfte Stimme. »Hier, mein Junge«, ich vernahm das Klingeln schwerer Silbermünzen, »besorg dir etwas zu essen und ein Nachtlager; der Schutzmann wird in Kürze hier sein, deshalb verschwindest du besser.«
    Ein dankbares

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