Amnion 4: Chaos und Ordnung
auf seinem Sichtschirm ein Scanning-Indikator blinkte.
Er zeigte ein Raumschiff an.
Nicht im unmittelbaren Umraum: es war beinahe acht Lichtminuten von der Posaune entfernt. Doch es war fast sofort nach dem Interspatium-Scout in die Tard zurückgefallen, ganz als nähme es den gleichen Kurs.
Als ob es ihm folgte.
Niemand rührte sich. Nur Nick ließ den Haltegriff los und segelte auf Angus zu, fing sich in letzter Sekunde an der Kante der Kommandokonsole ab. Bedächtig schlang er die Arme um die Konsole und glotzte Angus scheel ins Gesicht.
»Wissen Sie, was Ihr Problem ist, Kaptein Thermogeil?« fragte er mit ärgerlich provozierendem Nölen. »Sie hassen sich selbst. Sie wollen gar keine Freunde. Nein, es verhält sich sogar noch schlimmer… Sie wollen nicht mal Bundesgenossen. Sie glauben, Sie haben keine verdient. Sie haben der Schlunze das Hirn kaputtgefickt. Er weiß alles darüber, bis ins kleinste Detail. Und trotzdem möchten beide Sie auf ihrer Seite sehen. Und was Mikka betrifft, sie ist derart eifersüchtig, daß sie sich mit ’ner Schlange verbünden würde, falls sie mich genug haßte. Sie alle haben komischerweise den Wunsch, ausgerechnet Ihnen zu helfen.«
Angus sah Nick geradewegs an; aber an den Rändern seines Blickfelds beobachtete er die Anzeigen. Das fremde Raumschiff folgte eindeutig dem Kurs der Posaune. Und es steigerte die Schnelligkeit: Scanning und Datensysteme schätzten, daß die Geschwindigkeit 30 Prozent der Lichtgeschwindigkeit überschritt. Das war zuwenig, um Angus einen Anlaß zur Besorgnis zu liefern. Dennoch krampfte sich ihm unwillkürlich das Herz zusammen.
Was war das für ein Raumschiff?
»Aber Sie wollen davon partout nichts wissen«, fügte Nick hinzu. »Dafür hassen Sie sich selbst viel zu sehr. Sie können niemanden verkraften, der Sie nicht wie den dreckigsten, widerwärtigsten Halunken des gesamten Universums behandelt.«
Angus fühlte sich auf allen Seiten von Gefahren umlauert. Ein unbekanntes Raumschiff auf seiner Fährte. Mindestens ein Gegner, der ihn allzu gut durchschaute.
Die Elektroden tief in seinem Gehirn stellten ihn auf blitzartiges Eingreifen ein, während Sib Mackern, in der Faust die Pistole, auf Nick zugeschossen kam.
Nick verhielt, verzichtete vorsätzlich auf jegliche Anstalten, sich zu wehren. Trotzdem wurde sein Miene starr, und seine ganze Haut paßte sich dem Aschgrau seiner Narben an.
Sib stoppte sich an der Armlehne von Angus’ Kommandosessel.
»Aber Morn, Davies und Mikka sind anders, Nick.« Er setzte die Waffenmündung an Nicks Schläfe; trotz seiner Furchtsamkeit hatte er die Pistole fest in der Faust. »Und sie stehen nicht allein da. Der einzige, den ich hasse, bist du.«
Auch ihn trieben innere Zwänge an; seine Furcht saß so tief wie Angus’ Elektroden. Es mochte sein, daß er auf verschwommene Weise klärte, wessen Partei er ergriff; daß er nicht auf Nicks, sondern Angus’ Seite stand.
»Und vergiß nicht mich«, rief Ciro, obwohl seine Stimme quäkte. »Du hast Mikka gekränkt. Das verzeihe ich dir nicht.«
So wie Sib legte er sein Bekenntnis genauso für Angus wie für Nick ab.
Die Aussagekraft der Daten, die vor Angus’ Augen über den Sichtschirm wanderten, nahm zusehends, indem die Analyseprogramme die Emissionen des unbekannten Raumers immer verläßlicher analysierten, deutlicheren Charakter an. Das Raumschiff war zu groß, emittierte Energie auf zu vielen Bandbreiten, um etwas anderes als ein Kriegsschiff zu sein.
War es ein Raumer der VMKP?
Oder eine Amnion-›Defensiveinheit‹, die bei der Jagd auf die Posaune die Anzettelung eines offenen Kriegs riskierte?
Obschon in Angus’ Innenleben nichts als Tumult, als Heulen und Zähneknirschen herrschten, musterte er Nick ganz einfach kalten Blicks, wartete darauf, daß die Nervensäge wieder auf Abstand ging.
Nick regte sich nicht, bis Sib die Waffe von seiner Schläfe senkte und zurückwich. Dann erst stieß er sich von der Kommandokonsole ab. Während er einen Bogen zu einem Schott beschrieb und von dort aus zum Aufgang hinüberschwebte, straffte sich sein Grinsen. Man hätte meinen können, er versuchte Erleichterung zu verbergen.
»Du solltest in die Tach überwechseln, so bald es geht«, riet er Angus. »Wir wollen doch nicht, daß irgend jemand uns einholt. Ich bin in meiner Kabine.«
Er grinste Sib Mackern gehässig an und verließ die Brücke.
Insgeheim fluchte Angus. Nick hatte den Indikator gesehen.
So ein Mist.
Mit grimmiger
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