Amnion 4: Chaos und Ordnung
wie in denen Nicks, aber dieser Wahnsinn beruhte auf Seelenqual, nicht auf Bosheit, nicht Triumph. Ein starrkrampfartiges Verzerren des Munds entblößte seine Zähne; dennoch drang kein Laut aus seinem Mund. Nichts zwängte sich an der zerstörerischen Beklemmung vorbei, die ihm schier den Brustkasten sprengen zu müssen schien.
Die Hand, die Sib Mackerns Pistole durchschmolzen hatte, schwenkte Morn entgegen.
Wieder war Davies schneller als sie. Gerade stemmte er sich von der Tischkante zurück. Obwohl er noch an den Stuhl geschnallt war und ihn offenbar zudem eine Verletzung behinderte, gelang es ihm, eine Faust gegen Angus’ Arm zu hauen.
Viel zu flink, als daß Davies sich hätte wehren können zu blitzartig, als daß Morn zu erkennen fähig gewesen wäre, wie er unter diesen Bedingungen so etwas fertigbrachte –, führte Angus einen Hieb an die Seite von Davies’ Kopf. Ein Knirschen ertönte, als würde Stein zermalmt. Ein zweites Mal rumste Davies gegen den Tisch.
Diesmal richtete er sich nicht wieder auf.
Der Schwung des Schlags beförderte Angus aus Morns Weg.
Im Hauptkorridor hatte Nick sich inzwischen gefangen. Nun schien er wie eine Ramme in die Kombüse vorzustoßen, um Morn den Schädel zu brechen.
Anstatt nach Angus zu schlagen, krallte sie die Finger in die Rückseite seiner Bordmontur und nutzte die Masse seiner klobigen Gestalt für noch einen Purzelbaum aus. Mit jedem Quentchen an Kraft und Schwung, das sie aufbringen konnte, stieß sie ihre Stiefelabsätze mitten in Nicks Gesicht.
Der Anprall schleuderte ihn kopfüber den Korridor hinunter.
Gleichzeitig wurde Morn heftig gegen Angus’ Rücken gewuchtet.
Weil es um ihr Leben ging, unternahm sie einen verzweifelten Versuch, Abstand von ihm zu gewinnen.
Mit einer Leichtigkeit, als hätte sich ihre Fähigkeit erschöpft, ihn zu beeinflussen, packte er hart wie eine Eisenzange ihr Handgelenk.
»Morn!« schrie Sib Mackern; zu spät, viel zu spät. Wieder grabbelte er an den Verschlüssen seines Nullschwerkraftgurts.
Einen Herzschlag später erschien Mikka.
Sie mußte in ihrer Kabine den Lärm der Auseinandersetzung gehört haben und so schnell wie möglich herbeigeeilt sein. Während sie durch den Korridor segelte, verpaßte sie Nick, als er an ihr vorüberschlingerte, einen Faustschlag, sah jedoch davon ab, sich vollends auf ihn zu stürzen. Sie hatte schon beschlossen, Morn zu Hilfe zu kommen.
Hinter Mikka schwebte, direkt in Nicks Quere, ihr Bruder heran. Als Nick auf ihn zutrudelte, hob Ciro seine Stunnerrute.
Mikka fiel mit ihrem ganzen muskulösen Leib Angus in den Arm.
Morn entglitt seinem Zugriff, als hätte er sie von sich gestoßen.
Sie torkelte durch die Schwerelosigkeit, verhinderte nur mit Mühe, daß ihr Kopf mit den Schotts kollidierte, taumelte wie eine Feder im Luftstrom in die Richtung zur Brücke.
Irgendwo hinter ihr erscholl ein Schrei, den jemand aus Schmerz ausstoßen mochte, möglicherweise Ciro. Sie hörte ein dumpfes Grunzen der Anstrengung; und Hiebe, so laut wie Schüsse. Doch sie hielt nicht an. Getrieben von Wut und Entsetzen, schwebte, sauste, ja hetzte sie in der Schwerelosigkeit vorwärts, so schnell sie es zustande brachte. In ihrer Panik meinte sie zu spüren, wie Angus’ Fäuste nach ihr grapschten, seine Finger sie ergriffen. Sie fuchtelte mit Armen und Beinen, um schlechter zu fassen zu sein, segelte durch den Korridor, bis sie den Durchgang zur Brücke erreichte.
Dort bremste sie ihr wildes Dahinjagen an den Geländern, verschaffte sich daran Halt. Aber sie stockte nicht an der Konnexblende, schaute sich nicht um. Von den Geländern führte sie erneut eine Rolle durch die Luft aus, überquerte auf diese Weise die unbesetzten Konsolenplätze und landete erst an dem Schott neben dem Technikkontrollpult.
Erschrocken hob Vector den Blick. »Morn…?!« Vor Überraschung blieb ihm die Luft weg, erstickte seine Stimme. Er hatte sich zu stark konzentriert, um irgend etwas zu hören. »Was…?«
Morn schlang die Finger um einen Haltegriff, stemmte sich gegen das Schott, schwebte zu Vector.
Infolge Ermüdung und Entgeisterung waren seine blauen Augen stumpf; zum Sprechen unfähig, starrte er Morn an, als ob sie vor ihm mutierte.
Morn hatte keine Ahnung, was schiefgegangen sein mochte, aber sie wußte, was die Ereignisse bedeuteten. Angus und Nick hatten sich verbündet. Und Angus war zu Sachen imstande, die sie normalerweise als unvorstellbar erachtet hätte…
»Selbstvernichtung!« schrie sie
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