Amy on the summer road
seine Eigenheiten zu haben. Außerdem waren meine Fahrkünste ein bisschen eingerostet. Ich wusste zwar noch genau, was ich zu tun hatte, aber die Feinabstimmung war nicht mehr so gut wie noch vor ein paar Monaten. Ich legte meine Hände ans Lenkrad und gab diesmal vorsichtiger Gas. Der Wagen rollte langsam an, ich trat ein bisschen stärker aufs Gaspedal und fuhr langsam einen großen Kreis auf der Wiese.
Lucien stand in der Mitte neben seiner Wildkatze und drehte sich mit mir mit. Dabei grinste er übers ganze Gesicht und rief: »Du fährst ja!«
»Ja, ich fahre!«, schrie ich zurück, gab mehr Gas und fuhr noch ein bisschen schneller. In einem offenen Jeep zu sitzen, war ein fantastisches Gefühl. Der Wind wirbelte meine Haare durcheinander, sodass mir das Tempo schneller vorkam, als es eigentlich war. Nachdem ich einmal im Kreis gefahren war, wendete ich und fuhr in die andere Richtung, was Lucien lustig fand. Während ich bremste und wieder beschleunigte, merkte ich, wie sehr mir das gefehlt hatte und wie frei ich mich dabei fühlte, obwohl ich ja nur ziellos herumkurvte.
»Amy, Achtung!«, brüllte Lucien plötzlich ganz aufgeregt.
»Was?«, rief ich zurück, ehe der Wagen im nächsten Moment unvermittelt links absackte, wodurch ich versehentlich stärker aufs Gaspedal trat als beabsichtigt. Daraufhin schoss der Jeep vorwärts, ich verlor die Kontrolle und fühlte mich einen schrecklichen Moment lang drei Monate zurückversetzt. Aber im nächsten Augenblick wusste ich wieder, was ich zu tun hatte, und trat kräftig auf die Bremse – doch leider nicht rechtzeitig, um einer grünen Figur auszuweichen, die direkt auf mich zukam. Es knackte laut und der Wagen kam abrupt zum Stehen.
»Alles okay mit dir?«, rief Lucien, der zum Auto gerannt kam.
Ich spürte das Blut in meinen Schläfen pulsieren und mir war übel. Die helle Panik stieg in mir auf und drohte mich zu überwältigen. Ich zwang mich, die Augen zu öffnen, und legte die Parkstellung ein. Dann löste ich meine zitternden Hände vom Lenkrad. Ich schaltete den Motor aus und zog hastig die Handbremse an. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Wie war ich überhaupt auf diese Idee gekommen? Ich stand auf und versuchte zu erkennen, was vor der Motorhaube los war. »Was ist passiert?«, fragte ich und gab mir große Mühe, dass meine Stimme nicht bebte.
»Also, ich denke, mit dem Auto ist alles okay«, hörte ich Lucien vom Boden her, wo er gerade kniete. »Sieht aus, als wärst du einfach nur in ein Erdhörnchenloch gefahren. Aber Maurice ist wahrscheinlich hinüber.« Er stand auf und hielt den Kopf — inklusive Geweih – von einem grünen Elch in die Höhe.
»Oh mein Gott«, sagte ich und starrte ihn fassungslos an. »Das tut mir schrecklich leid – hab ich deinen Heckenelch gekillt?« Keine Ahnung, wieso mir das plötzlich derart witzig vorkam. Tat es aber. Ich hätte fast verzweifelt losgelacht, verbiss es mir aber krampfhaft.
»Maurice «, seufzte Lucien wehmütig, und das war’s dann. Ich brach in hysterisches Gelächter aus. Als es langsam nachließ, stieg ich aus dem Jeep und ging um den Wagen herum zur Beifahrerseite. Dabei bemühte ich mich, nicht zu dem abgetrennten Elchrumpf hinzusehen, den ich inzwischen doch nicht mehr so lustig fand.
Zurück zum Gästehaus fuhr natürlich Lucien. Der Kopf von Maurice lag zwischen uns auf der Sitzbank. »Sorry noch mal«, sagte ich betreten.
»Wahrscheinlich hat er es nicht besser verdient«, entgegnete er und warf einen Blick auf den grünen Kopf. »Aber vielleicht hast du ja sogar was ganz Innovatives produziert. Der hier würde sich bestimmt super über einem Kamin machen. Weißt du, für Leute, die auf solche Deko stehen, aber keinen echten Elch dafür umlegen wollen.«
»Gefällt mir«, sagte ich. »Das ist bestimmt ausbaufähig.« Er sah zu mir herüber und ich zog nur die Augenbrauen hoch.
Als er vor dem Gästehaus hielt, schaute ich zu den Fenstern. Unten war alles hell erleuchtet, während oben alles dunkel war. »Roger ist wahrscheinlich schon schlafen gegangen«, sagte ich.
»Ja«, erwiderte Lucien und sah ebenfalls zum Haus. Einen Moment lang herrschte Stille; man hörte nur das Zirpen der
Grillen und das Motorengeräusch. »Was ist eigentlich mit euch beiden?«, brach er das Schweigen.
Ich sah ihn an. »Wie meinst du das?«, fragte ich zurück, obwohl ich genau wusste, was er wissen wollte. Lucien machte den Motor aus und drehte sich auf seinem Sitz so, dass er sich an der
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