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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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Sklavenjungen die Mittagsruhe ihrer Besitzer genutzt,
um sich mit dem Hund davonzustehlen und einfach nur zu spielen. Außerdem
schlich ein Mann über den Platz, dem das Haar schweißnass am Kopf klebte und
der aussah, als würde er gleich in Ohnmacht fallen. Ein Geschäftsmann
vielleicht, den eine dringende Angelegenheit gezwungen hatte, sich der
Gluthitze auszusetzen.
    León war nirgends zu sehen. Vitória schlenderte
zum Palacete da Graça, blieb in dem überdachten Eingang stehen und studierte
einen Aushang, der dort angebracht war. Es gab wenig, was sie im Augenblick
weniger interessiert hätte als dieser Aufruf zu weihnachtlicher Wohltätigkeit.
Aber was sollte sie anderes tun, um ihrer Warterei den Anschein eines Zwecks zu
verleihen? Als sie den Text bereits auswendig konnte, begann sie sich zu ärgern.
Wie konnte León sie hierher bestellen und dann nicht erscheinen? Was für eine
Zumutung! Sie würde ihm noch zwei Minuten geben, dann wollte sie zurückgehen.
Da sie keine Uhr bei sich trug, war sie nicht ganz sicher, wie lange sie schon
wartete. Aber die Zeit erschien ihr endlos.
    Als sie das Gefühl hatte, dass die zwei Minuten
um waren, ging Vitória denselben Weg, den sie gekommen war, zurück. Die Bahiana
döste auf ihrem Hocker hinter dem Tisch vor sich hin und nahm Vitória nicht zur
Kenntnis, aber die beiden Jungen sahen ihr neugierig nach. Eine Sinhazinha, die
bei vierzig Grad im Schatten spazieren ging, war ein seltener Anblick. Noch
erstaunter beobachteten die Jungen, wie Vitória ihren Schritt beschleunigte.
Sie hatte es plötzlich eilig. Einen halben Tag in Rio hatte sie diesem Treffen
geopfert, nur um dann stehen gelassen zu werden. Wollte sie von ihrem Besuch in
der Stadt noch profitieren, hatte sie keine Zeit mehr zu verlieren.
    In der Rua Bonita raste ihr eine offene Droschke
entgegen. Der Kutscher fuhr so rücksichtslos, dass er Vitória, die auf dem
Trottoir ging, beinahe gestreift hätte. Vitória lag ein Fluch auf den Lippen.
Aber als sie sah, wer in der Droschke saß, blieben ihr die Worte im Hals
stecken. León hatte sie auch entdeckt. Er rief dem Kutscher etwas zu, dann
hielt das Gefährt mit viel Getöse mitten auf der Straße an. Vitória ging ein
paar Schritte darauf zu. Den Sonnenschirm hielt sie dabei so dicht wie möglich über
dem Kopf. Mit ein wenig Glück würde niemand sie erkennen.
    »Vita, steigen Sie ein.« León reichte ihr die
Hand und half ihr in die Droschke. »Verzeihen Sie meine Verspätung.«
    Er sah blendend aus. Er trug eine schwarze Hose
und ein weißes Hemd, dessen obere Knöpfe geöffnet waren und das den Ansatz
seiner muskulösen Brust entblößte. Seine gebräunte Haut schimmerte matt. Er war
bestimmt der einzige Mensch in Rio de Janeiro, dem zurzeit nicht der Schweiß in
Strömen herunterrann. Ohne Krawatte, Hut und Rock wirkte er wie ein Senhor, der
eben noch auf einer luftigen Veranda gesessen hatte, und nicht wie ein Mann,
der seine Arbeit, in der Zeitungsredaktion oder wo auch immer, unterbrochen
hatte.
    »Ich schlage vor, wir fahren ein wenig am Wasser
entlang. Der Fahrtwind und die Meeresbrise werden Ihnen Kühlung verschaffen.«
    »Begrüßen Sie Ihre Bekanntschaften immer mit
einer unhöflichen Bemerkung über ihr Aussehen? Wenn Sie pünktlich beim Palacete
erschienen wären, müssten Sie jetzt nicht den Anblick einer vollkommen
zerschmolzenen Frau ertragen.«
    »Und ich hatte gehofft, dass ich es bin, der Sie
dahinschmelzen lässt.«
    »Während ich Sie offenbar kalt lasse.«
    León warf den Kopf nach hinten und lachte. »Das
würde Ihnen nicht passen, oder? Sie sind es gewohnt, allen Männern den Kopf zu
verdrehen. Aber keine Bange, Vita. Bei mir ist es Ihnen ebenfalls gelungen.«
    Sie erwiderte darauf nichts. Sie saß schweigend neben
León und genoss den Fahrtwind, der zwar heiß war, dafür aber schnell ihre
Kleidung, ihr Haar und ihre Haut getrocknet hatte. Sie fuhren am Hafen entlang,
und selbst hier war es um diese Tageszeit seltsam still. Ein paar Arbeiter und
Packer saßen auf der Erde im Schatten der Fracht, die sie auf den paquetes, den
Dampfschiffen, die für die Atlantiküberquerung nur noch achtundzwanzig Tage
brauchten, zu verstauen hatten. Die Luft roch faulig, nach brackigem Wasser und
verwesendem Fisch.
    Als sie den Strand von Flamengo erreichten,
duftete es wieder nach Salz, Sand und Sommer. Hinter der Bucht von Botafogo
sahen sie die beiden Hügel des Zuckerhutes aufragen. Vitória sog das Bild in
sich auf. León beobachtete sie

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