Analog 08
Bewegung brachte seine Tentakel zum Schwingen. „Mir gefällt der Regenbogeneffekt, den man durch die Seitenfenster sieht, aber ich freue mich schon darauf, wenn der Himmel wieder normal zu sehen sein wird.“
„Ja.“ Orofan starrte eine Weile in die Leere, dann schüttelte er sich. Zurück zum Geschäft. „So, die Kursänderung ist einprogrammiert. Ist alles für die Verdichtung der Schaufel vorbereitet?“
„Alles klar. Thistas führt soeben den letzten Check durch.“
„Gut.“ Neun Aarns noch. Sechs davon konnte man für eine gepflegte Ruhepause nutzen. „Ich gehe jetzt in meine Unterkunft. Wenn ich zwei Aarns vor dem Eintritt noch nicht zurück bin, dann laß mich bitte rufen.“
„In Ordnung. Schlaf gut!“
„Das werde ich bestimmt.“ Orof an lächelte und verließ die Brücke.
Es geschah zum ersten Mal in der Geschichte, dachte General Sanford Carey, daß eine Frist von nur einer Woche ausreichte, um die Repräsentanten der Verwaltungsleitung, des Sonnenrates, des Chiron Institutes und der Friedenhüter zu einem Treffen zusammenzurufen. Der Aufruf hatte zwar Dringlichkeitsstufe eins, aber das allein war keine ausreichende Erklärung für die eilige Bereitwilligkeit. General Carey fragte sich, wie viele der hohen Herren und Damen wohl über Informanten auf dem Landefeld der Friedenswächter verfügen mochten, wo das Tachschiff vor knapp drei Stunden gelandet war.
Auf der anderen Seite des Raumes verschloß ein Leutnant von der Sicherheitsabteilung die Tür und schaltete den Mithörschutz ein. Er nickte, und Carey trat hinter das Rednerpult, schaute hinab auf seine kleine Zuhörerschaft.
„Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen dafür danken, daß sie heute hierhergekommen sind.“ Carey sprach mit einer sanften, melodischen Stimme, die in einem überraschenden Gegensatz zu seinem zackigen Erscheinungsbild stand, wie man ihm schon oft versichert hatte. „Vor ungefähr drei Stunden haben wir erfahren, daß sich ein großes, unidentifiziertes Objekt mit hoher Geschwindigkeit dem Sonnensystem nähert.“
Etwa ein Drittel der anwesenden neun Männer und Frauen behielt seinen unbewegten, wenn auch gespannten Gesichtsausdruck bei und verriet so, daß es schon vorher von der Sensation erfahren hatte; auf den Gesichtern der anderen spiegelten sich Schrecken, Aufregung und Bestürzung, als Careys Worte verklungen waren.
Noch ehe sich das Gemurmel völlig gelegt hatte, fuhr er fort: „Das Objekt bewegt sich annähernd mit Lichtgeschwindigkeit, mit null Komma neun neun c, es besitzt einen extrem heißen Fusionsantrieb und eine Art elektromagnetischen Räumschirm. Es ist ungefähr acht Lichttage entfernt – wir haben seinen exakten Kurs noch nicht bestimmt, aber es steht fest, daß es durch unser System kommen wird.“
„ Durch unser System?“ fragte Evelyn Woodcock, Chefberaterin der Regierung. „Wird es nicht hier anhalten?“
„Nein, sein Triebwerk zeigt nach hinten“, berichtete Carey, „wenn es jetzt noch ein Bremsmanöver einleiten wollte, würde es eine gewaltige Energie dazu verbrauchen.“
„Warum kommt es dann hierher?“ fragte Wu-Sin, der Ratsvorsitzende. Es war schwer zu sagen, ob die Versammlung beleidigt oder erleichtert über das Desinteresse des Eindringlings war.
„Vielleicht ist es ein Entdeckungsflug, aber das ist nicht sehr wahrscheinlich. Das Objekt trifft in einem sehr steilen Winkel auf die Ekliptik auf, ein ungünstiger Vektor, wenn man das System erkunden will. Eventuell kommt es so dicht an der Sonne vorbei, daß sich sein Kurs geringfügig verändert, aber Genaueres werden wir erst wissen, wenn wir mehr Erkenntnisse über den Eindringling haben. Es ist sogar möglich, daß er gar nicht weiß, daß es uns gibt. Bei der Geschwindigkeit, mit der er sich bewegt, ergibt sich für die Sonne eine Blauverschiebung in den Ultraviolettbereich, es kann sein, daß er sie mit seinen Instrumenten nicht wahrnimmt.“
„Äußerst unwahrscheinlich“, murmelte Dr. Louis Du Bellay vom Chiron Institut, „ich nehme eher an, daß die sich da oben sehr gut auskennen.“
„Ich stimme Ihnen zu, Herr Doktor“, nickte Carey, „aber es ist immerhin eine Möglichkeit. Nun gut, es scheint nicht so, als ob der Eindringling eine große Gefahr für uns darstellt, wenn wir nur darauf achten, daß wir ihm mit dem örtlichen Raumverkehr nicht in die Quere kommen. Allerdings dürfen wir auch nicht darauf hoffen, daß wir durch diese Begegnung unseren Wissensstand beträchtlich
Weitere Kostenlose Bücher