Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen
Johnny eine unbekannte Frau aufgetaucht. Ihr Blick hatte sich buchstäblich an den Händen der beiden festgesaugt und war dann langsam nach oben gewandert, zu Artjoms Gesicht. Die Frau entfernte sich jetzt, doch an der unsicheren Bewegung, die Artjom machte, war zu erkennen, daß er den Zwischenfall bemerkt hatte. Igor löste sich langsam, scheinbar unwillig, von der Wand, an der er lehnte und folgte der Unbekannten. Sie nahm den Weg über die Rolltreppe, die zum Übergang auf die andere Station führte. Igor ging hinter ihr und ließ sie nicht aus den Augen. Mit einem Seitenblick erkannte er Surik, der unauffällig über den Bahnsteig schlenderte. Das bedeutete, daß Artjom tatsächlich beunruhigt war und für alle Fälle einen zweiten Mann auf die Unbekannte angesetzt hatte. Sie ging schnellen, aber ruhigen Schrittes, ohne sich umzusehen. Als sie die andere Station erreicht hatte, kam gerade eine Bahn, doch aus irgendeinem Grund stieg sie nicht ein, sondern blieb stehen und begann, in ihrer Handtasche zu wühlen. Die Metro entfernte sich wieder, und Igor erkannte, daß auf dem leeren Bahnsteig außer der Unbekannten, Surik und ihm selbst noch eine weitere Person zurückgeblieben war. Das gefiel Jerochin ganz und gar nicht. Der blasse, dunkelhaarige Typ hielt ein Buch in der Hand, er stand unbeweglich, mit angestrengtem Gesichtsausdruck, da und fixierte die Unbekannte aus einiger Entfernung.
Der Bahnsteig füllte sich augenblicklich wieder mit Menschen, der verdächtige Typ näherte sich vorsichtig der Frau, die ihn ganz offensichtlich nicht bemerken sollte. Eine neue Bahn fuhr ein, und während die Unbekannte im Begriff war, in einen der Wagen einzusteigen, war der Fremde plötzlich dicht hinter ihr. Sie drehte sich um und warf ihm mit wutverzerrtem Gesicht irgendeine knappe Bemerkung hin. Der Mann betrat hinter ihr den Wagen und quetschte sich durch die Menschenmenge nach rechts, in die Nähe der zweiten Tür, während die Frau, in einer Ecke des Wagens stehend, einen Notizblock aus ihrer Handtasche holte und hastig etwas aufzuschreiben begann. Immer wieder hob sie den Kopf und warf dem Mann mit dem Buch in der Hand böse Blicke zu. Igor drehte sich um, er entdeckte seinen Komplizen und nickte ihm unauffällig zu. An der nächsten Haltestelle stieg der verdächtige Typ aus, und Surik folgte ihm. Jerochin blieb mit der Unbekannten im Wagen zurück.
Interessant, dachte er, während er sie von der Seite betrachtete. Sie arbeitet also nicht allein, sondern zusammen mit diesem Bücherfreund. Offenbar hat er einen Fehler gemacht, indem er vorhin zu dicht an sie herangekommen ist, und sie hat ihn zurechtgewiesen. Scheint eine ganz schöne Kanaille zu sein. Was sie wohl so eifrig in ihren Block schreibt? Man müßte wissen, ob sie ein Bullenweib ist oder ob sich die Konkurrenz eingemischt hat. Es gibt ja haufenweise Leute, die scharf darauf sind, ihre Ware an die amerikanischen Johnnys zu verschachern, aber so einfach ist das nicht. Da muß man schon so einer sein wie Artjom. Der hat Köpfchen und beherrscht etliche Fremdsprachen. Doch die Konkurrenz weiß nicht, wie sie an die schlauen Johnnys herankommen soll, und versucht, unsere Kontakte anzuzapfen. Aber die werden sich die Finger verbrennen.
Die Unbekannte stieg an der Station »Taganskaja« aus, und nachdem sie die Rolltreppe verlassen hatte, ging sie auf einen Milizionär zu, der in der Metro Dienst tat. Sie sprach ein paar Worte mit ihm und reichte ihm den Zettel, den sie bereits im Wagen aus ihrem Block gerissen hatte. Igor wurde es kalt im Nacken. Also doch ein Bullenweib. Der Milizionär steckte den Zettel in die Jackentasche und nickte ihr beiläufig zu.
Jerochin folgte ihr auf die Straße. Sie blickte sich um und lief zu einem parkenden Auto. Igor prägte sich die Nummer ein, ging zurück zur Metro und stürzte zum öffentlichen Telefon.
»Sie ist in ein Auto gestiegen und weggefahren, aber vorher hat sie einem Milizionär einen Zettel zugesteckt«, berichtete er atemlos. »Sie hat einen Partner, aber ich habe ihn rechtzeitig bemerkt und Surik auf ihn angesetzt.«
»Wir brauchen diesen Zettel, besorge ihn, egal wie«, befahl die Stimme in der Leitung, »der Bulle darf nicht dazu kommen, ihn weiterzugeben. Verstanden?«
Igor stand am Fahrkartenschalter, beobachtete den Milizionär und überlegte, wie er an den verfluchten Zettel herankommen sollte. Der Uniformierte stand seelenruhig da, offenbar hatte er nicht vor, sofort loszulaufen und den Zettel
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